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keine Reichthümer hatte. Den hatte sie sehr lieb, wie er sie auch, und sie hatten geschworen, daß sie nicht von einander lassen wollten. Zuletzt kam auch der reiche Schulzensohn aus Markau als Freiersmann. Der ließ sich von Marlehnchen nicht abweisen, und steckte sich hinter ihre Mutter und ihren Bruder. Diese quälten sie täglich, und verlangten von ihr, daß sie den Schulzensohn zum Manne nehmen solle. Sie weinte zwar und klagte, und bat um Gotteswillen, daß man doch das nicht von ihr verlangen solle. Aber die Beiden kehrten sich nicht daran, und betrieben nur um desto eiliger das Verlöbniß und das Aufgebot. Marlehnchen schwor zwar in ihrer Herzensangst, sie werde sich eher umbringen, als daß sie als Braut über die Markauer Grenze gehe; aber man verspottete und verlachte sie nur.

Der Hochzeittag kam unterdeß heran, und war auf den nächsten Dienstag bestimmt. Am Montage vorher, des Nachmittags, kamen, wie gebräuchlich, die Brautjungfern zu ihr, und putzten sie auf, und führten sie dann, so viel sie auch weinte und sich sträubte, mit Gewalt zu dem Wagen, in welchem sie nun, wie das Sitte ist, zu ihrem Bräutigam gefahren werden sollte. Ihre Verwandten und Bekannten begleiteten sie in vielen Wagen, und im hastigen Galopp eilten Alle nach Markau zu. Den vordersten Wagen fährt der Bruder der Braut, den hintersten der jüngste Bruder des Bräutigams, wie das Alles so Gebrauch ist. An der Markauer Grenze mußten die Wagen halten, und der Bruder des Bräutigams mußte hier der Sitte gemäß die Braut und die Brautjungfern fragen, ob sie nicht noch lieber umkehren wollten. Es war gerade die Sonne im Untergehen, als sie an der Grenze ankamen. Wie alle Wagen stillstanden, erhob sich der Bruder des Bräutigams und fragte die Brautjungfern: ob die Braut noch bei ihnen

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Jodocus Donatus Hubertus Temme: Die Volkssagen der Altmark. Nicolai, Berlin 1839, Seite 40. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Temme_Die_Volkssagen_der_Altmark_040.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)