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Sela geheißen, die einstmals plötzlich versunken ist, und anstatt welcher nun der See entstanden. Man hat noch lange an seinem Ufer die Ueberbleibsel der alten Mauern gesehen. Im Jahre 1719 ist der See auf Befehl des Königs abgelassen und ausgetrocknet, so daß man jetzt nur Ackerland und Wiesen dort siehet.

Beckmann histor. Beschr. v. Brandenburg. Th. 5. Buch 4. Cp. 4. S. 90.


30. Die goldene Laus bei Bismark.

Vor langen Jahren, die Chronik sagt, im Jahre 1350, fiel in der Nähe des Städtleins Bismark plötzlich ein Kreuz vom Himmel, welches sofort viele Wunder that. Es wurde daher an der Stelle eine Kirche gebauet, welche den Namen: zum heiligen Kreuze, oder auch: Maria Himmelskönigin erhielt. Es ging alljährlich eine große Wallfahrt dahin, zu welcher auch der Bischof von Halberstadt herüber kommen mußte. Dieselbe ging von der Stadt aus über den Kirchhof, weshalb dieser Weg die heilige Straße genannt wurde. Es geschahen fortwährend in der Kirche viele Wunder. Das merkwürdigste in derselben aber war eine große Laus, welche oben auf dem Thurme über dem Gewölbe der Kirche an einer goldenen Kette festgehalten wurde. Diese Laus verzehrte täglich ein Pfund Fleisch, und ist so groß gewesen, daß man sie unten in der Kirche ganz deutlich hat sehen können, wenn sie, wie das an den Wallfahrtstagen geschehen, oben vom Gewölbe her gezeigt ist. Eine Abbildung der Laus hat man unten an der Thurmmauer gesehen. Die Kirche ist jetzt längst zerstört; aber ihre Trümmer sieht man noch auf dem Felde unweit Bismark auf der Seite nach Stendal zu. Sie heißen jetzt die goldene Laus, oder auch die verwünschte Laus. Der Weg, der von der Stadt aus dahin führt, geht über den Kirchhof der Stadt, und heißt auch jetzt noch die heilige Straße.

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Jodocus Donatus Hubertus Temme: Die Volkssagen der Altmark. Nicolai, Berlin 1839, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Temme_Die_Volkssagen_der_Altmark_028.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)