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wo sie denn ein gar wundersam schönes Geläute gab. Besonders ärgerte und neckte sie die Stendaler. Denn wenn es nun in Großen-Möhringen läutete, so klang das noch in der Stadt Stendal so hell, daß die Leute nicht anders glaubten, als es werde zum Dome geläutet, und sie eilten nun, in die Kirche zu kommen. Und doch ist Großen-Möhringen eine starke Meile von der Stadt entfernt. Die hochmüthigen Stendaler ließen daher auf dem Thurme zu Möhringen nach der Stadtseite hin die Schallöcher vermauern, wie das noch jetzt zu sehen ist. Allein das half ihnen nichts, und die Glocke betrog sie wie früher, bis sie zuletzt, weil das Dorf arm war und Geld nöthig hatte, Anno 1649 für 290 Thaler nach Magdeburg verkauft wurde. In Magdeburg soll sie noch sein.

Ueber die Altmark. I. 167.


11. Das steinerne Kreuz bei Großen-Möhringen.

Vor dem Dorfe Großen-Möhringen steht am Stendaler Wege ein altes steinernes Kreuz. Das ist zum Andenken eines Mordes gesetzt, den dort ein Glockengießer an seinem Gesellen verübt hat. Dem Meister nämlich, der ein zorniger und ungeduldiger Mensch war, wollte der Guß einer Glocke nicht gelingen, die er für das Dorf machen sollte. Er lief daher nach Stendal, um noch einige Spezies herbeizuholen; die wollte er in die Masse hineinwerfen, und er glaubte, daß ihm dann der Guß schon glücken werde. Wie nun der Meister fort war, da machte sich sein Geselle an das Werk, der wohl gesehen hatte, woran es eigentlich fehle. Und weil er die Sache ruhig und verständig anfing, so hatte er in Kurzem eine vortreffliche Glocke gegossen, noch ehe der Meister von Stendal wieder heim kam. Wie das aber der Meister bei seiner Rückkehr sah,

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Jodocus Donatus Hubertus Temme: Die Volkssagen der Altmark. Nicolai, Berlin 1839, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Temme_Die_Volkssagen_der_Altmark_014.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)