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Die Gans.

„In Städten wird aus mir doch etwas noch gemacht,
Sprach eine junge Gans, die man zu Markt gebracht,
Im Dorfe wußte man nur grausam mich zu reifen,
Hier sucht mich manche Hand liebkosend anzugreifen;

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Man hebt mich lachend auf und setzt mich wieder hin,

Weil ich so weiß, als Schnee, am ganzen Leibe bin;
Man streichelt meine Brust, greift unter meine Schwingen,
Das muß die Art wohl seyn, mir Huldigung zu bringen.
Ein allerliebstes Thier, ein Phönix muß ich seyn;

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Das unverständ’ge Dorf sah meinen Werth nicht ein.

Bei dummen Leuten kann man nie zu Ehren kommen,
Nur in der Stadt wird noch Verdienst in Schutz genommen.“

Die Gans wird eingekauft und in den Stall gethan,
Auch wohnet neben ihr ein kalekutscher Hahn.

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„Nun, sprach sie, seh’ ich ganz, wie man Verdienste schätzet,

Weil man solch einem Herrn mich an die Seite setzet.
Im Dorfe lief ich mir die müden Füße wund,
Hier steckt man mir sogar das Essen in den Mund,

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Neuffer (Hrsg.): Taschenbuch von der Donau 1824. Stettinische Buchhandlung, Ulm 1823, Seite 66. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Taschenbuch_von_der_Donau_1824_066.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)