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Klugheit alle Künste der Koketterie mit der scheinbarsten Unbefangenheit und Absichtlosigkeit auf den Fremden spielen, und war auch so glücklich in ihren Bemühungen, ihm nicht nur eine hohe Meinung von sich einzuflößen, sondern auch, wie es sich bald offenbarte, selbst sein Herz in ihre Absichten zu verflechten. Das war endlich ein Mann nach ihren[1] Idealen, durch ihn konnte sie glänzen und vielleicht noch eine Rolle in der Welt spielen.

Der Fremde gehörte nicht zu dem gewöhnlichen Schlage der Männer. Gegen körperliche Schönheit war er zwar nicht unempfindlich, doch huldigte er noch mehr der sittlichen Grazie und der Schönheit des Geistes. Crescentia hatte sich das bald abgemerkt, und benahm sich nicht übel gegen ihn. Ihre neugesammelten Kenntnisse schienen ein alter Schatz und ein zufälliger Erwerb zu seyn, und so sehr ihr daran lag, damit zu glänzen, wußte sie doch alles Gesuchte und Absichtliche zu verbergen, und versäumte nicht, wenigstens vor seinen Augen, eine empfehlungswerthe Geschäftigkeit im Hauswesen zu zeigen. Oft fragte sie ihn mit hingebendem Vertrauen um Rath, zuweilen erbat sie sich auch ein Buch, und ließ sich, wenn sie’s gelesen hatte, die dunkeln Stellen von ihm erklären. So sanft und wohlwollend, wie damals, war sie nie sonst gewesen, so freundlich und


  1. Vorlage: ihrem (Druckfehler, Seite 375)
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Ludwig Neuffer (Hrsg.): Taschenbuch von der Donau 1824. Stettinische Buchhandlung, Ulm 1823, Seite 44. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Taschenbuch_von_der_Donau_1824_044.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)