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einer jungfräulichen Scheu vor der Gegenwart des Obersten erklärt werden, allein ihr Betragen bekam die richtige Deutung dadurch, daß sie sich fast ausschließend mit dem Obersten beschäftigte, um Wilhelms Gegenwart sich nicht viel zu bekümmern schien, und an seinen Erzählungen wenig Antheil nahm. Das kränkte und schmerzte ihn im Innersten. Es war unverkennbar, daß die Sachen nicht mehr standen, wie vormals; allein an einen gänzlichen Bruch dachte er immer noch nicht. Darum setzte er auch ferner seine Besuche fort, und gab sich alle Mühe, das alte Verhältniß wieder herzustellen. Crescentia aber wich seinen Erklärungen und Ermahnungen je mehr und mehr aus, ja er meinte sogar einigemal zu bemerken, daß seine Gegenwart sie zu drücken anfange.

Indem so sein Liebesverhältniß auf schwachen Füßen stand, und immer schwankender, bedenklicher wurde, erhielt er die unwillkommene Nachricht, sein Großvater liege auf den Tod, und wünsche ihn vor seinem Ende noch einmal zu sehen und zu segnen. Wilhelm hatte den heiteren Morgen seiner Kindheit bei dem guten Großvater, der immer eine besondere Liebe zu ihm gehegt, aus dem Lande verlebt, wo er Pfarrer gewesen, und bei demselben auch den ersten Jugendunterricht genossen, daher war es für ihn heilige Pflicht, den Willen des sterbenden Greisen zu erfüllen. Spät Abends empfing er den Brief,

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Ludwig Neuffer (Hrsg.): Taschenbuch von der Donau 1824. Stettinische Buchhandlung, Ulm 1823, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Taschenbuch_von_der_Donau_1824_020.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)