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Verminderung der Vorräthe ein Theil Wagen entbehrlich wurde, so wurde das abgetriebendste Vieh jedesmal entlaßen. Trollig war es anzusehen, wenn die Ausgabe der Lebensmittel an diese Spannbauern gelangte. Da man sie nicht namentlich aufrufen und verzeichnen konnte, so mußte diese ganze Gesellschaft jung und alt in ein Glied antreten, und so traf es sich denn oft, daß ein 10. und 12.jähriger Knabe neben einen alten, weisbärtigen Mann zu stehen kam, und dadurch eine sehr gemischte frappante Front bildete, man überzeugte sich von ihrer aller Gegenwart blos durch die aufgenommene Anzahl. Ein jeder erhielt nun der Reihe nach den ihn gebührenden Theil von Brod, Fleisch, Salz und Gemüse, allein da sie zur Aufbewahrung des Brandeweins keine Flaschen hatten, so trank ein jeder seine Portion gleich auf der Stelle. Lüstern blickten daher die untersten herauf nach dem wandernden Feldflaschendeckel, und nicht wenig zufrieden waren dann die Alten wenn ihr Nebenmann ein Knabe war, weil ihnen dann dasjenige, was man lezteren abbrach, jedes mal zu Gute kam. Übergang über den Wiprez. Den 17ten Juny passirten wir 1/2 Stunde von dem Flecken Kock[1] (Koksch ausgesprochen) auf 2. der Länge nach gegeneinander angestoßene Fähren, die gerade die Flußbreite ausmachten, den Wiprez. Er läuft in ganz flachen mit Sumpf und Erlengebüsch eingefaßten Ufern, und richtet beim Austreten nicht wenig Schaden an, weil sein Lauf sehr reißend ist. Die Gegend ist hier ganz eben, hat guten ergiebigen Boden und ist mit Laub- und Nadelhölzern durchschnitten, enthält an den Ufern hier einigen Wiesenwachs und stellt im Ganzen dem Auge eine nicht ganz einförmige und unangenehme Landschaft dar. Nahe hinter Kock, einen unbedeutenden mit vielen Juden bewohnten Flecken, erhebt sich auf einen weitläufigen Brachfelde ein aufgeworfener hoher, gegen 40. Schritt im Umfang betragender Erdhügel, in Form der unsrigen Grenzhügel, an deßen Fuße 2. kleine hölzerne Kreuze als Epithaphia[2] eingesenkt waren. Bei näherer Erkundigung erfuhr ich, daß dieser Plaz ein

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Kock – die Stadt Kock, 45 km nördlich von Lublin
  2. Epithaphia – Denkmal zum Gedenken an einen Verstorbenen
Empfohlene Zitierweise:
F. W. Winkler: Bemerkungen über den Feldzug gegen Rußland in den Jahren 1812 und 1813., Seite 67. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Tagebuch_Russlandfeldzug_0067.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)