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militairische Haltung war. Der stete Anblick mehrerer hier in eine Strafanstalt eingebrachter, und mit Beinschellen und schweren Ketten belasteter Verbrecher, macht auf den Fremden einen widrigen Eindruck. Da die Säuberung der Straßen und die Wegräumung des Unraths ein Hauptgeschäft ihrer öffentlichen Arbeit ausmacht, so wird das Ohr fast in allen Straßen durch ihr Kettengeraßel beleidiget, und der Vorübergehende durch zudringliche Betteley von ihnen in Anspruch genommen.

     Auch hatte ich hier Gelegenheit, die Intoleranz der Katholiken gegen die unter ihnen lebenden Israeliten bei der Feyer des Fronleichnamfestes zu beobachten, welche sich auf eine ebenso auffallende als entehrende Weise aussprach. Man hatte hierzu auf einigen Pläzen und Straßen Altäre errichtet, zu welchen die Volksmaße an der Spize einer zahlreichen Geistlichkeit sich begab und eine bedeutende Prozeßion formirte. Kein Bewohner eines Hauses, vor welchem dieser Zug vorüberging, durfte sich als Zuschauer an dem Fester blicken laßen, wollte er hierbei sichtbar werden, so mußte er sich vor seiner Hausthür auf die Knie werfen, welchem ebenfalls jeder anderer Begegnender, der kein Militaire war, sich unterwerfen mußte. Hätte es hierbei sein Bewenden gehabt, so würde man diese Forderung blos einer Bezeigung der tiefsten Devotion für ihre Kirchengebräuche zugeschrieben haben, allein kein Jude durfte hierbei sichtbar werden, oder auch nur in weitester Ferne sich blicken laßen, denn trift ein solcher Ungücklicher auf seinen Geschäftswegen durch Zufall auf eine solche Prozeßion, so wird er von bewafneten Schergen und dem niedrigsten Pöbel mit dem größten Geschrey, in Form einer öffentlichen Jagd verfolgt und wohl ihm dann, wenn ein barmherziger Samariter ihm sein

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F. W. Winkler: Bemerkungen über den Feldzug gegen Rußland in den Jahren 1812 und 1813., Seite 63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Tagebuch_Russlandfeldzug_0063.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)