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die Zwischenzeit zu Bestellung unserer Äcker, zu Bestreitung unserer Wirthschaften, theils aus Zwang für unsere SelbstErhaltung, theils aus Gewinnsucht des Überschußes, wenig Zeit blieb uns hierbei zum Müßigang übrig. Seitdem wir durch ihre Gnade frey und unabhängig wurden, seitdem gewannen wir mehr Hang, mehr Mittel zur Unthätigkeit und zum Trunke. Ein Tag verstrich in der Schenke, in dem Wahne, daß es deren mehrere gebe um das Versäumte nachzuhohlen, allein am 2ten und 3ten Tage gieng es nicht beßer, und so vergieng eine Woche nach der andern in Unthätigkeit und Wohlleben. Unsere Felder blieben größtentheils öde liegen, unsere Wirthschaften kamen in Verfall. Wir mußten schon das 1te Jahr einen Theil unsers Viehes veräußern, um den Zinns zu entrichten und Schulden zu bezahlen, das zweite Jahr langte es schon hierzu nicht mehr zu, wir mußten um Nachsicht bitten, und jezo sind wir bettelarm, elend und unglücklich, machen Sie uns wieder zu denenjenigen was wir sonst waren, und wir werden wieder thätig seyn und uns so glücklich als sonst fühlen. – Es geschahe. –

     So scheiterte denn ein Project, was Tausend andern bei nur einiger Erziehung und zweckmäßiger Beurtheilung und Anwendung glücklich gemacht haben würde anstatt daß es hier das Gegentheil hervorbrachte. Wie gesagt, es bestätigt den schon früher aufgestellten Saz, daß ohne eine zweckmäßige mehrjährige successive Vorbereitung, und durch ein gutes Beispiel ihrer Grundherrschaften in Verbeßerung ihrer Grundstücke und Wirthschaften selbst, Aufklärung, Bildung und Veredlung in Pohlen nicht denkbar ist. Nicht der gemeine Mann allein, nein, auch die größeren Guthsbesizer sind in der Beartung und Benuzung ihrer Grundstücken noch weit zurück, denn man findet weder auf herrschaftlichen noch Bauerfeldern

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F. W. Winkler: Bemerkungen über den Feldzug gegen Rußland in den Jahren 1812 und 1813., Seite 51. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Tagebuch_Russlandfeldzug_0051.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)