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küzeln zu können, dann glaubt er sich genug. Baares Geld, wenn auch nur wenige pohlnische Gulden bei einer solchen Familie die blos von ihren Erzeugnißen lebt, zumal in dem traurigen Frühjahr 1812. zu suchen und aufzufinden würde eine große Seltenheit sein. Doch auch dieser Geldmangel hat wieder sein Gutes. Wäre er bemittelt und brauchte er nicht anderer Hülfe, er würde bei seiner Ungefälligkeit einen Fremden der ihn nur nach dem Wege fragt, kaum antworten, anstatt daß er bei Darreichung einer Kleinigkeit zu einem Glase Brandewein als seinem Lieblingstrank äußerst gefällig wird, und oft weiter den Begleiter macht als man es verlangt. – Gehen die Zeiten, seiner Rechnung nach, wie seine Geschäfte ihren gewöhnlichen Gang, so sieht er allerdings seine Existenz gesichert, doch tritt zuweilen Miswachs und Hagelwetter ein, oder Kriege und zu leistende NaturalLieferungen berauben ihn seiner Vorräthe, dann bleibt ihm nichts anders übrig, als sich dem Wucher in die Arme zu werfen, und von dem im Dorfkruge wohnenden Juden auf künftige Erndten Vorschuß mit übergroßen Procenten aufzunehmen, da der Besizer des Guths bei der Menge solcher auf einmal Verarmter allen zugleich zu helfen außer Standt gesezt ist. Dergleichen Fälle einigemal herbeigeführt, bewirken oft den Ruin ein solcher Familie auf Lebens lang.

     Könnte er mit seinem Eigenthum schalten wie er wollte, ginge er mit andern Landern in der Cultur fort, betriebe er in Ermangelung der Wiesen den Kleebau, der hier ganz unbekannt ist, hielte er dann mehr Vieh, um die immer über die Hälfte und mehr Brache liegenden Äcker zu bestellen, zu düngen und Nuzen von ihnen zu ziehen, müßte er nicht Jahr aus Jahr ein (die Sonn- und Festtage ausgenommen) mit Spann und Handdiensten Frohne leisten und seine Wirthschaft dabei nur nebenbei betreiben,

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F. W. Winkler: Bemerkungen über den Feldzug gegen Rußland in den Jahren 1812 und 1813., Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Tagebuch_Russlandfeldzug_0026.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)