Seite:Tagebuch Russlandfeldzug 0017.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

canarischen Marmor aufgestellt war) anstoßendes schönes Gewächs-Haus mit blühender Orangerie[1] und ausländischen Blumen angefüllt, machten dieses Schloß zu den schönsten von Pohlens mit. Ein vor diesem Schloße angelegter englischer Parc war noch nicht vollendet, so wie auch eine sehr ins Auge fallende Brauerey. Der Besizer war bei unserm Hierseyn bereits zur Armee abgegangen, so wie auch seine übrige Familie abwesend war.

     Die OberSchleßische Grenze immer mehr rechts laßend gingen wir Westgallizien entgegen, und paßirten die Städtchen Blaczkow[2], Burzenin[3] und Widowa[4]: – Burzenin wo wir 3. Tage im Cantonnement[5] verweilten, war für ein Städtchen ein äußerst unbedeutender, nur aus 42. Häusern bestehender und von vielen Juden bewohnter Ort bei welchen kaum die nothwendigsten Bedürfniße für einen äußerst theuern Preis zu erlangen waren. In Widowa welches wir den 15ten April passirten und wo ein sächßisches Hospital etablirt wurde, waren bereits Störche als die ersten Bothen des Frühlings sichtbar.

Petrikau.     Die Stadt Petrikau[6] beinahe von ähnlichen Range wie Kalisch, nur von unbedeutendern Handel und finsterern altmodischen Ansehn, passirten wir am 17.ten ejsdem, und übernachteten in dem Dorfe Lenczno[7] ebenfalls einer Dotation des Kaisers Napoleon, dem französischen DivisionsGeneral Friant[8] zugehörig. Obgleich mit mehrern Pertinenzien[9] und reich an Pfründen[10] versehen, bemerkte man doch schon an dem Äußern, daß der Besizer deßelben die Revenüen[11] nicht zur Verschönerung benuzte, sondern außerhalb Landes verzehrte. Ein blos wie gewöhnlich in Pohlen par terre, ohne Stockwerk versehenes Gebäude bezeichnete das Schloß, welches von einem sehr artigen Manne einen gebohrenen Franzosen, der zugleich die DistrictsVerwaltung mit versahe, administrirt[12] wurde.

     Am Ausgange des Städtchen Sulejow[13] (wo späterhin ebenfalls ein sächßisches Hospital hinkam) passirt man mittelst einer Brücke die nicht unbedeutende Pilica[14], und überschreitet zugleich die

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Orangerie – Gebäude, das der Überwinterung von Zitrusbäumchen dient oder gedient hat; hier: die Zitrusbäumchen selber
  2. Blaczkow – wohl das heutige Błaszki
  3. Burzenin – siehe Burzenin
  4. Widowa - wohl Widawa bei Burzenin
  5. Cantonnement – von französisch „cantonnement“, Einquartierung
  6. Petrikau – das heutige Piotrków Trybunalski
  7. Lenczno – vermutlich Łęczno bei Sulejów
  8. dem französischen DivisionsGeneral Friant – Louis de Friant (1758–1829), französischer General
  9. Pertinenzien – Nebensachen, die bei Veräußerung der Hauptsache als mitinbegriffen gelten
  10. Pfründen – siehe Pfründe
  11. Revenüen - Erträge, Einkünfte
  12. administrirt – verwaltet
  13. Sulejow – siehe Sulejów
  14. Pilica – der Fluss Pilica; im Text ist in der ursprünglichen Schreibung Pilicza das z gestrichen.
Empfohlene Zitierweise:
F. W. Winkler: Bemerkungen über den Feldzug gegen Rußland in den Jahren 1812 und 1813., Seite 17. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Tagebuch_Russlandfeldzug_0017.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)