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Aufbruch aus Sachsen.Es war am Charfreytage den 27ten Martz, 1812 früh um 8. Uhr, an welchem wir Niemaschkleba[1] ohnfern Guben, (woselbst wir vom 12ten Februar ac.[2] bis dahin cantonnirt[3] hatten,) an einem bereiften heitern FrühlingsMorgen verließen.

     Eine halbe Stunde hinter Niemaschkleba schied uns die brandenburgische Grenze von unserm Vaterlande. – Ein breiter, mit Buschholz und Eichen bewachsener Graben mit daran liegenden neu, gebaueten Häusern, wovon die dießeitige Colonie Augustuswalde, die jenseitige preußische aber Friedrichswalde hieß, marquirte die GrenzLinie.

     Die Gegend nach Crohsen[4] zu ist flach, sandig und mit Nadelholz bewachsen, nach der Oder hin, mit schönen Wiesen, und einen hohen breiten und mit Eichen bewachsenen Damm versehen, hin und wieder mit Sümpfen durchschnitten. Unser Marsch führte uns bis nahe an die Vorstädte Crohsens, doch von dort nahmen wir direction rechts, und gingen der Oder entlang, Schlesien zu. – Bei Neubrück[5] paßirten wir am 28ten ejsdem[6] den nicht ganz unbedeutenden Bober auf einer vor einiger Zeit nur erst wieder erbaueten hölzernen Brücke. Marsch durch einen Theil der Marck und Nieder Schlesien.Neubrück liegt sehr romantisch; von der rechten Seite mit bedeutenden Anhöhen begrenzt; – mehrere jenseits den Bober gelegene hübsche Gebäude von Hammerwerken mit PappelAlléen versehen, die sich mit der Straße den Fluß hinaufziehen, geben dem Ganzen ein ins Auge fallendes Ansehn. Ohnfern Pohlnisch Nettkow[7], einem Flecken der Herzogin von Curland gehörig, betraten wir Schlesien. – Boden und Cultur, Einwohner und Sitten sind noch die der Brandenburger, und laßen keinen bedeutenden Übergang aus einer so verschiedenen Provinz gegen die andere verspüren, nur etwas weiterhin, wo die Gegend immer fruchtbarer wird, der Weinstock sich im Ganzen mehr angesiedelt befindet, und der Chatolicism sich unter die herrschende protestantische Religion mit einmischt, nur dann erst vermißt man lebhafter die Mark Brandenburg und überzeugt sich, daß man in

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Niemaschkleba – das heutige Chlebowo, ein Ortsteil von Gubin
  2. ac. – anni currentis (lateinisch für „laufenden Jahres“)
  3. cantonnirt – von französisch „cantonner“, im Quartier liegen
  4. Crohsen – Crossen an der Oder, an der Mündung des Flusses Bober, das heutige Krosno Odrzańskie
  5. Neubrück – das heutige Prądocinek bei Bobrowice
  6. ejsdem – eiusdem, lateinisch, Genitiv zu idem: desselben [ergänze: Monats]
  7. Pohlnische Nettkow – das heutige Nietków bei Czerwieńsk
Empfohlene Zitierweise:
F. W. Winkler: Bemerkungen über den Feldzug gegen Rußland in den Jahren 1812 und 1813, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Tagebuch_Russlandfeldzug_0012.jpg&oldid=- (Version vom 28.5.2018)