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Reiterstreitkräften allerdings ist das eigen, rasch den Sieg gewinnen, rasch zu weichen; doch steht die Hurtigkeit neben der Furcht, das Zaudern naher bei der Festigkeit.

32.

Was auch andern Völkern der Germanen bei seltener und besonderer Muthigkeit des Einzelnen im Gebrauche ist, das ward den Chatten zur Uebereinstimmung: sobald sie Jünglinge sind, Haupthaar und Bart wachsen zu lassen, und erst, wenn ein Feind erschlagen, die angelobte und der Tapferkeit verpflichtete Kopftracht abzulegen. Ueber Blut und Todesbeute gestellt, lichten sie die Stirne, und dann erst, meint man, haben sie den Lohn für die Geburt entrichtet, würdig des Vaterlandes und der Eltern. Feigen und Unkriegerischen bleibt der Wust. Die Allertapfersten tragen überdieß einen eisernen Ring (weil dieß etwas Schimpfliches ist in des Volkes Augen), gleichsam eine Fessel, bis man sich durch eines Feindes Tödtung davon befreit. Vielen der Chatten gefällt für immer diese Tracht, und selbst grau sind sie also gezeichnet, den Feinden zugleich und den Ihrigen gewiesen. Bei diesen steht der Anfang aller Schlachten; dieß stets das Vordertreffen, erschütternd für den Blick. Denn nicht einmal im Frieden werden sie milderen Antlitzes zahm. Keiner hat Haus oder Feld oder irgend ein Geschäft; wie sie eben zu Andern kommen, werden sie ernährt, reich lebend von Fremdem, des Eigens Verächter, bis greisen Alters Erschöpfung sie für solch’ harte Mannhaftigkeit unfähig macht.

Empfohlene Zitierweise:
Publius Cornelius Tacitus: Die Germania des Tacitus. Freiburg i. Br.: Herder’sche Verlagshandlung, 1876, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Tacitus_Germania_Baumstark_31.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)