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Ehre verschmähen sie als schwer für die Verlebten. Jammer und Thränen legen sie schnell ab, Schmerz und Betrübniß langsam. Den Weibern ist trauern schön, den Männern eingedenk sein.

Dieß in’s Allgemeine haben wir von aller Germanen Ursprung und Sitten vernommen. Der einzelnen Völker Einrichtungen und Gebräuche, wie weit diese abweichen, welche Stämme aus Germanien nach Gallien übersiedelten, das will ich nun darlegen.

28.

Daß einst der Gallier Sachen stärker waren, sagt der hohe Gewährsmann, nun unter den Göttern, Julius; und darob ist es glaublich, daß auch Gallier nach Germanien hinübergingen. Denn wie wenig stand der Fluß im Weg, daß jedes Volk, wie es zu Kraft gekommen, Sitze nahm und Sitze tauschte, die bis dort herrenlos waren und durch keine Macht der Königsherrschaft abgesondert. Also hatten, was zwischen dem Waldgebirg Hercynia und den Flüssen Rhein und Main liegt, die Helvetier inne, das Jenseitige die Bojer, Beides ein gallisches Volk. Noch dauert der Name Bohem und bezeichnet des Landes uralte Geschichte, obgleich die Bewohner geändert sind. Unsicher ist es dagegen, ob die Aravisker nach Pannonien von den Osen hinwegwanderten, einer Nation unter den Germanen, oder die Osen von den Araviskern hinweg nach Germanien, da sie bis heute die nämliche Sprache, Einrichtungen, Sitten haben: waren doch einst bei gleicher Armuth und Freiheit beider Ufer Güter und Uebel dieselben. Die Treverer und Nervier sind in Behauptung ihres germanischen

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Publius Cornelius Tacitus: Die Germania des Tacitus. Freiburg i. Br.: Herder’sche Verlagshandlung, 1876, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Tacitus_Germania_Baumstark_28.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)