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wiederum empfangen sollen, was auf die Enkel kommen müsse.

19.

Also im sichern Schutze der Keuschheit leben sie, durch keine Schauspiel-Lockungen verdorben, durch keine Reizungen der Gelage; der Schrift Geheimwege kennen Männer und Weiber gleichmäßig nicht. Aeußerst selten ist in dem so zahlreichen Volke der Ehebruch, dessen Bestrafung augenblicklich und dem Manne überlassen ist. Abgeschnittenen Haares und entblößt jagt dieser sie vor den Augen der nahen Verwandten aus dem Hause und treibt sie mit der Peitsche durch das ganze Dorf, denn preisgegebene Scham hat kein Verzeihen: nicht durch Schönheit, nicht durch Jugend, nicht durch Habe findet sie einen Mann. Lacht doch Niemand dort über das Laster, und verführen oder verführt werden, heißt nicht Welt. Besser freilich noch die Staaten, in welchen nur Jungfrauen heirathen, wo Hoffnung und Wunsch der Gattin bloß einmal erledigt wird. Also empfangen sie nur einen Gemahl, wie nur einen Körper und ein Leben, damit kein weiterer Gedanken, daß keine fernere Begierde lebe, daß nicht gleichsam den Ehemann sie lieben, sondern gleichsam den Ehebund. Die Zahl der Kinder beschränken oder gar eines der nachgeborenen tödten, gilt als Schandthat, und mehr vermögen da die guten Sitten, als anderswo gute Gesetze.

20.

In jedem Hause wachsen sie in Blöße und Aermlichkeit zu diesen Gliedern herauf, herauf zu diesen Körpern,

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Publius Cornelius Tacitus: Die Germania des Tacitus. Freiburg i. Br.: Herder’sche Verlagshandlung, 1876, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Tacitus_Germania_Baumstark_22.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)