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Hans Carl von Carlowitz: Sylvicultura oeconomica

von weiß und roth / giebt das schönste Ansehen von der Welt / also / daß das Feld / wo diese Bäume insgemein ins gevierde gepflantzet stehen / von ferne als ein großer Garten / mit Gräntzen und Blumen-Sträußern angefüllet / aussiehet.

Das ist aber dabey zuverwundern / daß dies Fleisch / welches der Kern umgiebet / alle Eigenschafften des Talchs hat.

Die Farbe / der Geruch / die Härte / gleichen ihm vollkömmlich / also / daß man / nachdem es zerlassen / Lichte draus machet / und nur ein wenig Oel darunter mischet / den Talch weicher und geschmeidiger zu machen.

Der Tacht des Lichtes soll von Holtz seyn / um welches das Marck von Binsen gewunden wird.

§. 6. Nicht weniger ist auch zu verwundern / daß auch das Manna von Bäumen gesamlet wird / welches sonsten gar nieder auf den Gramine Mannae wächset. Die Berge um Briancon in Franckreich (wie Talander in curieusen und Historischen Reisen durch Europam Part. I. p 133. schreibet) und insonderheit das Thal Queyras bringen gewisse Bäume hervor / die man Melezes nennet / und sonst vor der Lateiner Lerchen-Baum hält.

Sie haben dieses mit der Tanne gemein / daß sie sehr hoch sind / und über die maßen gerade / ihre Blätter sind noch etwas grüner und weiter von einander / doch fallen sie so wenig ab / als der Oel-Bäume und des Buchs-Baums / es wäre denn / um denen neuen Platz zu machen / welches ihnen der Frühling giebet.

Ihr Holtz ist über die maßen bequem zum Bauen / und wiederstehet solches dem Feuer und dem Wasser so lange Zeit / daß man es vor unverzehrlich im Feuer hält / so wohl als unverweßlich in Wasser.

Es hat weder Blüthe noch Früchte / wie andere Bäume / aber dieses hat es als etwas sonderliches / daß sein Holtz vor das schönste gehalten wird / so man zu Tischer Arbeit gebrauchet.

Und in Wahrheit es wird immer schöner / je älter es wird / und die Zeit welche sonst alles verleschet / machet dessen Farbe je länger je lebhaffter und glänzender.

Wenn man eine Schlange mit Zweigen und Blättern von Melezes kochet / so ist dieses ein gantz gewisses Mittel wieder den Außsatz / wenn man sich offt damit wäschet; Aber die Eigenschafft / daher diese Art Bäume unter die Wunder gesetzet worden / ist diese / daß sie ein über alle maßen köstliches Manna dem gantzen Europä darreichen. Man trifft nehmlich wehrenden Monath Augusti alle Morgen bey anbrechenden Tage auf diesen Bäumen einen himmlischen Thau an / welcher so fort dicke wird / und sich in ein Gummi verwandelt / so den Geschmack und die Farbe eines ungelauterten Zuckers hat / und in der Medicin Manna genennet wird.

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Hans Carl von Carlowitz: Sylvicultura oeconomica. Johann Friedrich Braun, Leipzig 1713, Seite 401. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Sylvicultura_oeconomica.pdf/417&oldid=- (Version vom 20.8.2021)