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Hans Carl von Carlowitz: Sylvicultura oeconomica

handeln und also insgesammt ihr Brod darmit verdienen: also siehet man / was vor Nahrung dergleichen Holtz conservation einem Lande bringen kan.

Aus solcher innern Rinde oder Bast sind vor diesen auch Bändlein gemacht worden / so man an die Kräntze zubinden gepflogen / davon PLINIUS l. 16. cap. 4. schreibet: Sunt inter corticem & lignum tenues tunicae, multiplici membrana, e quibus vincula Tiliae vocantur, tenuissimae earum philyrae, coronarum lemniscis celebres, antiquorumque honore.

D. i. Zwischen der eusersten Rinde und dem Holtze ist noch eine Schale / so aus einer vielfachen Haut bestehet / die zarteste hievon wird Bast / oder Linden-Bande genennet / welche von denen alten sind hoch geschätzet / und an die Kräntze gebunden worden.

§. 6. Nechst dem Bast ist an diesem schönen Baume auch zubetrachten die Blüthe / welche mit ihren angenehmen Geruch die Lufft weit und breit anfüllet / und die Bienlein an sich locket / woraus auch ein sehr nützlicher Spiritus bereitet wird.

In Siberien / allwo die Linden in grosser Menge anzutreffen / geben diese Blüthen den Bienen / welche mehr als in andern Landen wild daselbst in Walde seyn / guten Zugang / die ihren Honig / welcher gantz zuckericht ist / in grosser quantität darvon bereiten und in denen holen Wald-Bäumen eintragen.

Sothane Blüthe des Linden-Baums ist erstlich grün und mit Flügeln bedecket, wenn sie aber aufgeblühet / wird sie gelblicht / und bestehet in fünff Blättern.

Die Frucht ist denen Epheu-Beerlein gleich / träget einen runden schwärtzlichen Saamen, der im Augusto und September reiff wird / auch sehr süsse an Geschmack ist / daß die Kinder darnach lauffen / und solchen essen.

§. 7. Das Holtz so von Würmern nicht leicht angestochen wird, ist / weil es gar leichte zu allerley Haußrath / und andern Dingen / so nicht schwehr seyn sollen / am besten zugebrauchen.

Sonderlich ist es denen Bild-Hauern nützlich, denn es läst sich wohl schnitzen / drein graben und schneiden / dieweil es sehr weich.

Jedoch sagen / die solches arbeiten / daß es das Werckzeug sehr stumpf mache.

Materies Tiliae mollissimma & calidissima, hoc argumento, quod aciem ferri hebetat, & ascias citissime retundit.

Die Kohle davon ist auch sehr gut und subtil, und wird sonderlich von den Mahlern, wenn sie etwas zeichnen wollen, gebrauchet.

Seine Mispel ist sehr nützlich / und giebt einen vortrefflichen Spiritum.

Von Linden-Schwamm soll man bey ansteckenden Seuchen das Vieh trincken lassen.

§. 8. Sonsten dienet die Linde sowohl zu Ober- als auch zu Unter- und Schlag-Holtze / denn sie eben so wohl an Stamm als an der Wurtzel ausschläget / wenn sie abgetrieben / wirfft aber eine starcke Wurtzel / so denen nahstehenden Bäumen schädlich. Sie wird so leicht von

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Hans Carl von Carlowitz: Sylvicultura oeconomica. Johann Friedrich Braun, Leipzig 1713, Seite 319. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Sylvicultura_oeconomica.pdf/335&oldid=- (Version vom 20.8.2021)