Seite:Sylvicultura oeconomica.pdf/333

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Hans Carl von Carlowitz: Sylvicultura oeconomica

machen wir von der Linde / einem bey uns wohlbekandten und beliebten Baum / den Anfang / und zwar was erstlich deren Saamen betrifft so wird derselbe auf allerhand Art gesammlet.

Denn entweder man streiffet die Knospen oder Knöpfflein ab / stecket sie in einen Sack / rüttelt und schüttelt denselben / daß der Saamen darinnen ausfället und unten in Sacke liegen bleibet / welchen man also ausstreuet; oder aber man säet die Knöpfflein wie sie gesammlet werden / ohne den Saamen vorbesagter maßen auszuschütteln. Theils hauen auch die Aeste und Wipffel von diesen Bäumen / daran viel Knospen hangen ab / setzen hengen oder legen sie um und ins Landt / so besäet werden soll / so fällt und fleucht alsdenn der Saame aus / und verbreitet sich hin und wieder.

Er wird in Septembr. oder auch in Augusto zeitig / und wenn die Knöpfflein oder Hülßlein sich aufbürsten / ist es ein Zeichen / daß er reiff ist.

§. 2. Die Linde nun / welche ihren teutschen Nahmen von der Weiche oder Lindigkeit und Glätte herführet / lateinisch Tilia genannt / ist ein schöner Baum / wächset so wohl wegen des Stammes / als der Aeste fein ordentlich / und lässet sich wegen der starcken Wurtzeln so sie führet nicht leicht von grösten Winden werffen / und ist in Spazier-Gängen und andern Lust-Orten wohl zugebrauchen / hat ein schönes Laub / und die Blüthe ist sonderlich angenehm. Sie wird wegen derselben und ihrer Grösse halber gerne bey die Kirchen / ja in Städten und Dörffern an offenen Orten und Plätzen gepflantzet / unter den Schatten Zusammenkünffte gehalten / Zechen angestellet / Spiele getrieben / woselbst auch wohl das Weibes-Volck zu nehen und spinnen pfleget / laut des bekandten verses.

Filia sub Tilia discit subtilia fila.

Es werden auch auf die starcken Linden-Aeste Gänge / Boden / oder Saale gebauet / auf welche man steigen / sich Lust halber daselbst aufhalten und divertiren kan.

§. 3. Es soll sonsten dieser Baum zweyerley Geschlechts / nehmlich / Männlichs und Weiblichs seyn / welcher Unterscheid auch / durch etlicher Meynung am Stamm und an der Gestalt sich zeiget; indem das Männlein härter / knorrichter / gröber und rothgelblich / das Weiblein aber gelinders und weichliches Holtz hat.

Aber daß es gewiß zweyerley Geschlechte seyn / kan doch niemand eine eigendlich Gewehr thun / sondern es läuffet / wie obgedacht / dahin aus / daß das Erdreich darinnen sie stehen, die meiste Veränderung veruhrsacht.

Die Rinde von Männlein läst sich nicht wohl biegen sondern springet / die aber von Weiblein lässet sich zu allerhand gebrauchen.

Das Männlein blüht nicht / und hat auch

Empfohlene Zitierweise:
Hans Carl von Carlowitz: Sylvicultura oeconomica. Johann Friedrich Braun, Leipzig 1713, Seite 317. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Sylvicultura_oeconomica.pdf/333&oldid=- (Version vom 20.8.2021)