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Hans Carl von Carlowitz: Sylvicultura oeconomica

Christenthums dergleichen Häyne und Bäume zu tilgen / und den Aberglauben auszurotten. Was dem Gideon, nach Abhauung des Baalischen Hayns zu Ophra vor Gefahr zugewachsen / und wie er ohne Zweifel von dem rasenden Pöbel wär umgebracht worden / wo ihm sein Vater nicht durch eine kluge Rede das Leben gerettet / lieset man in Büchlein der Richter cap. 6. v. 27. seqq. Wie es auch dem heiligen Martino Turonensi ergangen / als er einen dergleichen / bey den Ungläubigen vor heilig gehaltenen Fichtenbaum abhauen lassen / da er in gewissester Lebens-Gefahr gestanden / wo er von Gott nicht wunderlich wäre erhalten worden / beschreibet SULPITIUS SEVERUS, lib. de vita Martini cap. 12.

§. 10. Solche abergläubische Wälder- / und Baum-Verehrung hat unter dem gemeinen Volck bey den schon ausgebreiteten Christenthum noch lange Zeit gedauret / massen vor wenig Jahren noch hin und wieder Wald-Refieren zu finden gewesen / da man kein Vieh hintreiben dürffen / und zwar aus uhralter von Heyden herrührender Gewohnheit / daß nehmlich solche Oerter von dem unreinen Vieh nicht etwan möchten entheiliget werden / welches also die Ursache dieses Gebrauchs und alten Gerechtigkeit / die noch lange Zeit bey den Christen mit fortgeschleppet worden.

§. 11. Wiewohl aber nun in diesen oberwehnten Stücken zu weit gegangen / und der Sachen zu viel gethan worden; So haben doch die Wälder und Bäume ihre gebührende Hochachtung / so sie von Anfang der Welt her gehabt / biß auf diese Zeit unbehindert bey allen Verständigen behalten / mit Recht besessen und behauptet. Mens tamen ad sylvas, & sua lustra redit heissets sonsten. Zumahln auch der Menschen Natur sich nach den Bäumen sehnet / und dabey seine Lust suchet. Welches die alten Philosophi in Griechenlandt / und sonderlich zu Athen / (allwo die Welt-Weißheit für andern Orten fleißig excoliret worden) gar wohl verstanden / indem sie schöne Lust-Wäldlein / und mit Bäumen gezierte Spatzier-Gänge erwehlet / um den Schatten zu geniessen / und darunter gute und sinnreiche meditationes zu concipiren / dahero sie solche Oerter Academias genennet. Bevorab hat der weisse Heyde Plato, dafür gehalten / daß dergleichen Oerter / die Sinnen sonderbar schärfften / hats dahero am bequemlichsten und am thulichsten geachtet / seine Studenten oder Zuhörer / in diesen Wäldgen der Welt-Weißheit zu unterrichten / und daselbst darüber zu disputiren. Desgleichen hat der Epicurus, auf eben solche Art / seine Lehre in schattenreichen Gegenden mit seinen Schülern tractiret / und die Stoici nichts minder / ihre Schulen in Gehöltzen angestellet / und sie Stoas genennet.

§ 12. Die erste Wohnung / in welche GOtt / die von ihm erschaffene Menschen eingesetzet hat / war ja der glückseligste und lustigste Paradieß-Garten / in welchen der allmächtige Schöpffer hat lassen aus

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Hans Carl von Carlowitz: Sylvicultura oeconomica. Johann Friedrich Braun, Leipzig 1713, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Sylvicultura_oeconomica.pdf/28&oldid=- (Version vom 17.1.2018)