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Hans Carl von Carlowitz: Sylvicultura oeconomica

§. 5. Die Bäume biß auf den Gipffel zu beschneiden / thut selten gut / denn der Baum kan nicht dicke und starck werden, und ihn also der Wind und Schnee leicht drücken.

Der Safft gehet auch alle nach dem Gipffel zu / hält sich in seinem Lauff nicht auf / weil er unterwegens keine Aeste hat / und bleibet also dergleichen Baum stets dünne und schlanck, ja die meisten verdorren auch gar / sonderlich die Tannen und Fichten.

Wenn ein neuversetzter Stamm neue Aestlein treibet / so ist es eine Anzeigung / daß er nunmehr wohl eingewurtzelt sey / alsdenn kan man ihn wohl ausputzen und beschneiden.

Es will aber hierbey sonderliche Vorsichtigkeit auch deswegen gebraucht seyn / damit man so wohl Acht habe / daß der Stamm und das Holtz von des Baumes Safft ernähret / als auch so viel übrig sey / daß er auch in die Frucht treiben kan.

Derhalben nur das überflüßige Holtz zubenehmen / damit solches nicht die Wurtzel aussauge / und also den Verderb des Stammes / oder zum wenigsten der Frucht causire.

Auch sollen nicht gar zu viel oder alle Aeste benommen werden / sonsten ersticket der viele Safft / weil er keinen Ausgang hat / die Wurtzel und den Stamm / daß er also gar eingehet.

§. 6. Die Wasserschüsse oder diejenigen Reiser / so unten an Stamm oder an der Wurtzel ausschlagen / wie auch die Räuber / so an dem Stamm und an den Aesten hin und wieder herfür wachsen / soll man alsobald / wenn man deren ansichtig wird, ohne sorgfältige Beobachtung der Zeit wegschneiden oder abhauen / denn sie wachsen gerade über sich / nehmen den Bäumen und Aesten den Safft und Wachsthum / daß sie wohl gar verdorren; so bald aber solche weggeschnitten / so treibet der Safft die Wunde mit der Rinde wieder zu / und vergrössert und stärcket den Stamm.

Die gedachten kleinen unnützen schädlichen Aestlein / Neben-Schößlinge und Wasser-Reiser / kan man wohl mit einem scharffen Messer abschneiden die grossen aber mit der Säge abnehmen / denn der Baum oder die Rinde durch das Hacken gar leicht beschädiget wird / hernach wird es am Stamm wohl und glatt mit einem scharffen Baum-Messer beschnitten / damit das Wasser und Feuchte nicht so leichtlich in das von der Sägen rauch gemachte Holtz eindringe und die Rinde desto eher drüber wachsen und verwimmern kan.

§. 7. Wenn ein Stamm keinen rechten Schafft bekommen / allzusehr in die Aeste treiben / oder sonst krumm und schadhafft werden will / so ist am rathsamsten / daß man solchen gar abhaue / und einen bessern zu pflantzen / Raum mache.

Da man aber siehet / daß man in Wegnehmung schädlicher anbrüchiger und dürrer Aeste / Räuber und dergleichen / einen Nutzen an einem feinen Baum schaffen kan / soll man es auch nicht unterlassen / zumahl an jungen

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Hans Carl von Carlowitz: Sylvicultura oeconomica. Johann Friedrich Braun, Leipzig 1713, Seite 259. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Sylvicultura_oeconomica.pdf/275&oldid=- (Version vom 20.8.2021)