Seite:Sylvicultura oeconomica.pdf/264

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Hans Carl von Carlowitz: Sylvicultura oeconomica

das Männlein ausrottet / soll das Weiblein gantz schwach werden und keine Früchte bringen.

Daß dem also sey daß nehmlich unter den Palm-Bäumen Männlein und Weiblein seyn / welche eine natürliche Zuneigung gegen und zueinander haben / entweder nahe beysammen stehen / daß sie sich mit den Aesten erreichen / und gleichsam umarmen können / oder doch nicht gar ferne von einander gepflantzet seyn müssen / erhellet aus folgender Erzehlung. Nehmlich PHILOSTRATUS schreibet von zweyen Palm-Bäumen / männ- und weiblichen Geschlechts / wie dieselben bey dem Ufer eines Wasserflusses gegen einander über gestanden / da habe das Männlein aus eingepflantzter Liebe sich angefangen zum hefftigsten zu biegen / und über den Fluß herüber zu neigen / das Weiblein aber / ob es wohl etwas weit davon gepflantzet gewesen / habe es sich doch hingegen wiederum geneiget / und gleichsam seine Willfährigkeit und gehorsamen Fleiß zuerzeigen angemaßet.

Weil denn solches die Land-Leute wissen, so wenden sie Fleiß an / damit das Männlein von dem Weiblein zum allerwenigsten so weit gesetzet und gepflantzet werde / daß der Staub von dem Winde erreget / von des Männleins Blättern gewehet / auf die Blätter des Weibleins fallen kan / und hat die Erfahrung bezeuget / daß solches zu mehrer Fruchtbarkeit ein gnugsames Mittel seyn.

Wo aber das Weiblein zu weit von Männlein stehet / und weder Staub noch Lufft oder Geruch zu ihm reichen und kommen kan / so knüpffen sie ein Seil an das Männlein und ziehen dasselbe biß zum Weiblein / bringen also die Fruchtbarkeit zum Weiblein / indem dasselbe gleichsam durch eine Liebe oder Ehe-Band zusammen verbunden / einander Krafft und Würckung mittheilet.

JOVIANVS PONTANVS rühmet solches insonderheit an zweyen Palm-Baum / davon das Männlein zu Brundusio, das Weiblein zu Hydrunt gepflantzet gewesen / welches eine lange Zeit unfruchtbar geblieben / indem sie beyde zuvor allgemachsam aufgewachsen / doch keines dem andern recht ins Gesichte kommen können.

Als sie aber nachfolgender Zeit zu einer Höhe gediehen / daß eines dem andern frey ins Gesicht gestanden / unangesehen sie einen weiten Weg und etliche welsche Meilen von einander abgesondert gewesen / so haben sie alsobald angefangen Früchte zubringen. Obgedachten Pontani lateinische Verse in Beschreibung des Flußes Eridani oder Padi lauten also:

Brundusii latis longe viret ardua terris
Arbor Idumaeis usque petita locis
Altera Hydrantinis in saltibus aemula Palma.
Illa virum referens, haec muliebre decus.

Empfohlene Zitierweise:
Hans Carl von Carlowitz: Sylvicultura oeconomica. Johann Friedrich Braun, Leipzig 1713, Seite 248. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Sylvicultura_oeconomica.pdf/264&oldid=- (Version vom 21.8.2021)