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Hans Carl von Carlowitz: Sylvicultura oeconomica

und Wachsthum.

Wem ist auch unbekant / daß die wilden Stämme / so in grossen Heiden und Wäldern von sich selbst frey und ungehindert / entweder von ihrem eigenen Saamen oder von Wurtzeln anderer Bäume ausschlagen und aufwachsen / einen bessern Wuchs haben / auch länger dauren und älter werden / als diejenigen / so der Mensch pflantzet und viel Fleiß und Arbeit dabey anwendet.

Ja es ist recht wunderwürdig / daß selbige nach dem Trieb der Natur und Witterung so lustig auf- und fortwachsen / auch nicht mehr Aeste auf sich laden oder treiben / als sie mit ihrem Safft ernehren können / oder aber / so derer zu viel sind / sie durch Trieb der Natur denen untersten den Safft und Nahrung entziehen / daß sie verdorren und abfallen / und dem Baum unschädlich seyn müssen / und wo dergleichen Aeste gestanden / so laufft die Rinde darüber / daß es glat wird / und der Stamm von unten auf gerade und gleich / auch zu allerhand Gebrauch dienlich und bequem empor steige. Hingegen die Bäume, so gesetzt und gepflantzet werden / werden gar leicht beschädiget / verwundet / zerstümmelt und zerbrochen / oder zur Unzeit gehandthieret / durch des Menschen Unwissenheit / Unfleiß oder Unachtsamkeit versäumet / daher es wohl das Ansehen gewinnen möchte / daß man der Natur ihre Kinder zu gedeylicher Erziehung allein überlassen und selbe mit frembden Gewächsen als Stieff-Kindern an andern Orten nicht überladen solle.

§. 2. Ferner weiln der grosse GOtt seine Weißheit und Güte zuerkennen zu geben fast einem jeden Lande nebst andern Gaben auch besondere Gewächse verliehen / und solche damit vor andern gezieret / so wird es fast einem Fürwitz gleich sehen / wenn man dergleichen Gewächse andern geben / und was GOtt ihnen absonderlich gegönnet / divulgiren und gemein machen wolte. Allein auf das letztere zu erst zu antworten / so gereichet es nicht zu einigen Eingriff in Göttliche Verordnungen oder Mildigkeiten / sondern vielmehr zur Ausbreitung und mehrerer Bewunderung der unbegreifflichen Allmacht des grossen Schöpffers / wenn man desselben preißwürdige Wercke und Geschöpffe / so in weit entlegnen Orten anzutreffen / auch in der Nähe sehen und erkennen kan.

Wer hat ohne Verwunderung lesen können / was in denen Indianischen Schiffarten nicht allein von mancherley seltzamen Thieren / sondern auch von frembden Gewächsen aufgezeichnet und theils in Kupffer-Stich vorgestellet wird? Wem erwecket nicht eine sonderliche Belustigung die Lesung und Duchsehung des kostbaren und in vielen Theilen bestehenden Buchs in folio, Hortus Malabaricus genannt / so auf Angeben und Direction des Herrn Henrici van Rheden, vormahligen Gouverneur der Landschafft Malabar durch Johannem

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Hans Carl von Carlowitz: Sylvicultura oeconomica. Johann Friedrich Braun, Leipzig 1713, Seite 237. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Sylvicultura_oeconomica.pdf/253&oldid=- (Version vom 20.8.2021)