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Hans Carl von Carlowitz: Sylvicultura oeconomica

denn der Safft ist noch hin und wieder in den Stamm ausgebreitet / annoch flüchtig / nicht dicke oder etwas erhärtet / wie im Herbst / die Rinde und Wurtzeln sind auch noch zärtlicher und weicher in Sommer als in Herbst. Denn wenn der Safft gegen oder in den Sommer von der Sonnen erwärmet wird / so steiget er in die Höhe / und hilfft nicht so wohl zum Einwurtzeln / als in Herbst und Frühling / derhalben die Verpflantzung in Sommer nicht vorträglich ist. Wenn die Bäume schon Laub oder gar Blüthe haben / seyn sie nicht auszuheben oder zu versetzen / sonsten der Verderb gewiß darauf erfolgen dürffte. Also sind alle Bäume am besten zuverpflantzen / wenn der Safft ruhig und aus dem Holtze in die Wurtzel getreten / welches die allgemeine Regel ist / und das Abfallen des Laubes giebet an allen Bäumen die sicherste Nachricht / daß der Safft aus dem Stamm sey / weil er das Laub nicht mehr ernehren kan.

Wenn nun das Laub gefallen / so hat der Safft euserlich nicht so viel Würckung / sondern bleibt bey dem Stamm und Wurtzeln / und giebt also beßere Krafft zum Einwurtzeln.

Je zeitlicher man aber nach Michaelis, wenn das Laub fallen will und solches nur gelbe wird / die jungen Stämme verpflantzen kan / je besser ist es.

Denn es saget das Sprichwort: Das zeitliche heurathen und verpflantzen hat niemand gereuet.

Die Alten haben viel auf den Tag Hieronymi gehalten und vermeinet / es verderbe kein Stamm / so an diesen Tag versetzet werde; wie wohl das Versetzen auch in October, ja so lange man zur Herbst-Zeit in die Erde kommen kan / gar füglich geschiehet / denn zu dieser Jahres-Zeit da kommt die Krafft und Feuchtigkeit in der Wurtzel und denn die Winterfeuchte einander zu Hülffe daß der Stamm wohl bekleiben kan. Sonderlich geräth das Herbst-Versetzen wohl / wenn es Winters-Zeit nicht tieff in die Erde frieret / wie zum öfftern geschicht / daß ein Schnee fället / ehe der Frost kommt / und ob gleich hernach ziemliche Kälte eintritt / so frieret es doch nicht durch den Schnee / und also können die verpflantzte Stämme einwurtzeln und gute Nahrung von der Winterfeuchte haben.

Daß aber manche statuiren wolten / es solte der Baum nicht in Krebs- oder Scorpion-Zeichen versetzet werden / sonsten solcher den Krebs bekommen möchte / darauff ist nicht allezeit zu sehen.

§. 9. Ob nun wohl das Baum Versetzen im Herbst sehr nützlich; so ist doch auch der Frühling zu solcher Holtz-Zucht nicht zu verwerffen.

Etliche heben gar die Stämme in Herbst aus / beschneiden die Wurtzeln und setzen alsdenn den Baum in die Erde / worbey sie dasjenige so etwan dran verletzet worden / etwas tiefer einschlagen / hernach auf den Frühling nehmen sie die eingelegten Stämme wieder heraus / so ist die Wunde oder das Beschnittene

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Hans Carl von Carlowitz: Sylvicultura oeconomica. Johann Friedrich Braun, Leipzig 1713, Seite 224. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Sylvicultura_oeconomica.pdf/240&oldid=- (Version vom 21.8.2021)