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Hans Carl von Carlowitz: Sylvicultura oeconomica

grosse und weit ästigte Bäume stehen, weil selbige um und neben sich alles verdammen / daß kein Wiederwachs aufkommen kan.

§. 9. Wo aber überständig und ausgewachsen Holtz ist / und solches abgetrieben werden soll / allda wird an vielen Orten / bevorab in Südlichen oder warmen Ländern / wo meist Laub-Holtz wächset / das Absehen genommen / daß es jährlich in gewisser Anzahl nieder geschlagen / und in 20. 30. 40. 50. 60. biß 80. Jahrs-Gehaue nach Beschaffenheit derer Gehöltze eingetheilet werde / zwischen welcher Zeit der völlige und gnugsame Wiederwachs herbey kommen / und wieder aufs neue von fornen abgetrieben werden kan. Es werden aber in solchen Gehauen tüchtige Saam-Bäume auf 30. 40. biß 50. Schritt von einander darzu stehend gelassen. Geschicht nun das Holtz fällen in einem Jahre / da die Bäume dieser Gegend fast alle Saamen tragen / und dieser reiff ist / so ist es desto besser / damit kan noch selbiges / oder doch die nechstfolgende Jahre der Anflug von dem Saamen solcher Bäume befördert oder doch ebenfalls mit säen und pflantzen aufbracht werden / worzu denn die Sommerlatten / so von Stöcken und Wurtzeln ausschlagen / zum öfftern häuffig kommen / und also an Wiederwachs kein Mangel seyn kan / dagegen darff man kein Vieh dahin treiben, und bleibet also der Anflug unbeschädiget. Es wird auch wohl die Erde in solchen Gehauen / und Stockräumen ausgehacket / daß die Herbst und Winter-Regen den Saamen desto eher in die Erde schlagen / und zum Aufkeimen bringen können. Alleine in hiesigen und benachtbarten kalten Ländern / wo der Saamen selten geräth / und wo der Anflug von sich selbst kaum in 20. und mehr Jahren erfolget / und das Tangel-Holtz in 100. Jahren kaum einen rechten Stamm zeuget / da müssen die Gehaue auf mehr Jahre nach Beschaffenheit des Orts / des Anflugs und der Art der Bäume gestellet werden / sonsten man sich sehr betrogen finden / und der Holtz-Mangel sich noch mehr äußern dürffte.

§. 10. Hiernechst so wird auch die Situation eines jeden Orts wohl zu überlegen / und nach solcher eine Art Holtzes vor der andern zum Wiederwachs zu erwehlen seyn. Denn auf den großen Höhen / Bergen und erhabenen Gegenden / ist es natürlich kalt und neblicht auch folglich feucht / dahero das Holtz / so Kälte am meisten dauren kan / reichlich daselbst wächset / als die Tanne / Fichte und Buche; hingegen die Eiche / Bircke / Aschen / Ilmen und dergleichen kommen an solchen Orten hiesiger Lande nicht / oder gar selten wohl oder glücklich fort / oder haben doch keinen rechten Wachsthum / sondern / werden knorricht / strüppicht und gedeihen zu keinen rechten Stamm / wie denn überall auf den Ober-Gebürge die ersten / als Tannen / Fichten und Buchen / auch wohl etliche Ahornen

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Hans Carl von Carlowitz: Sylvicultura oeconomica. Johann Friedrich Braun, Leipzig 1713, Seite 196. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Sylvicultura_oeconomica.pdf/212&oldid=- (Version vom 21.8.2021)