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Hans Carl von Carlowitz: Sylvicultura oeconomica

und über das die Fächlein / darinnen der Saamen sich enthält / 2.) die äuserste Schale / darinne der Saame / Mehl oder Körnlein selbst stecket / und damit überzogen ist / und 3.) ein gelbigtes Häutlein in welchem das Körnlein eingewickelt / zu befinden.

§. 8. Diese Sorgfalt der Natur gehet außer Zweiffel dahin / daß indem man sonst auf solchen Saamen nicht so wohl als bey denen zahmen Bäumen achtung giebet / dergleichen Gewächse gleichwohl perpetuiret und multipliciret werden möchten / auch daß ihr Geschlechte nicht zu großen Schaden der Menschen, weil ihnen doch selbe zum Nutzen geschaffen / untergehen möge / denn sonsten der Mensch nicht capabel wäre / ein dergleichen untergangenes Geschlechte wieder zu resuscitiren / sondern es müste vor ihme wohl verlohren seyn und bleiben.

§. 9. So vorsichtig nun die Natur sich erzeiget in Beschützung des wilden Baum-Saamens biß er zu seinen Reifthum gelanget / so verwunderlich erweißet sie sich auch / wenn er diesen überkommen. Uberhaupt davon zu reden / sind solchen Holtz-Saamen meistentheils Flügel gegeben / welche gleich einen gantz dünnen Pergament oder Papier sind / damit solcher sich selbst überall in die Ferne ausbreiten / auch durch den Wind und Lufft hin und wieder getrieben / und also sich selber weit und breit auff etliche hundert Schritt vermehren könne / nachdem nehmlich der Wind starck gehet oder der Baume eine Höhe hat / oder auff dem Gebirge stehet. Wenn also dergleichen Saamen von Tannen und Fichten / durch einen Wind aus denen Zapffen gewehet wird / so entweder ben spaten Herbst oder gegen das Früh-Jahr geschicht (wie man denn observiret haben will / daß insgemein der Tannen Saamen Herbst- und der Fichten Saamen Frühlings-Zeit / ausfalle,) so ist nichts schöners anzusehen / wenn er in solcher Menge ausfleugt / und sich hin und wieder ausbreitet.

Indem er nun von der Höhe des Baumes herab kömmt / sonderlich wenn die Sonne in die Flügel scheinet / so hat es das Ansehen / als wenn kleine güldene Vögelein daher flögen / und sich auf die Erde sachte nieder liesen; da aber bey einer Stille ohne Wind / der Tann-Zapffen durch erfolgte gute Witterung und von warmen Sonnenschein sich auf thut und aufbürstet / so fället bey einer geringen Bewegung derer Aeste / oder bey dem Einsamlen / der Saame häuffig aus / und da er im Baume auf die Aeste und Tangeln herunter fället / es ziemlich und annehmlich rauschet.

Hingegen findet sich bey den zahmen Garten- und Obst-Bäumen kein geflügelter Saame / sondern der wunderbahre GOtt hat es denen Menschen überlassen / solchen fortzupflantzen / und in Schweiß ihres Angesichts ihre Nahrung und Bewerb davon zunehmen.

Unter andern ist der Tannen Saamen von schönen Ansehen / hat breitere Flügel als der

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Hans Carl von Carlowitz: Sylvicultura oeconomica. Johann Friedrich Braun, Leipzig 1713, Seite 131. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Sylvicultura_oeconomica.pdf/147&oldid=- (Version vom 14.2.2021)