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vielumworbenes Schätzchen hat, so gehört das andere Stück wieder zur fatalen Klasse: „Phymalion, eine Romanze.“ In dem bänkelsängerisch niedrigen Ton - „Es war einmal ein Hagenstolz Der hieß Phymalion“ - den das fade Zeitalter für echten Romanzenton hielt, wird der in Rousseau’s „lyrischer Scene“ so würdig behandelte Gegenstand schnöde herabgeleiert und durch das Spülwasser einer philiströs rationalistischen Deutung gezogen. „Da trat ein guter Freund herein Und sah dem Narren zu“ - und dieser Freund weiß, als ob er Behrisch geheißen hätte, dem Künstler auf den richtigen Weg zu helfen: Pygmalion geht einen Tausch ein und nimmt ein schönes Mädchen für seine kalte Bildsäule.

So bleiben nun noch drei größere Stücke[1], darunter zwei bekannte: die Ode, die dem „Herrn Professor Zachariä“, dem gefeierten Dichter „komischer“ Epopeen, einen reichlichen Zoll der Bewunderung entrichtet, und das Lied „An den Schlaf“, („Der du mit deinem Mohne Selbst Götteraugen zwingst“), das einzige Stück von poetischem Gehalt. Unbekannt ist das dritte: „Elegie auf den Tod des Bruders meines Freundes.“ Goethe hat sie Cornelien im Mai 1767 mitgetheilt. „Die Elegie,“ erklärt er ihr, „ist auf den Tod von Behrischens Bruder, der bei Hessen-Philippsthal Regierungsrath war.“ (Briefe 1, 90 Weimarer Ausgabe.) „Nah schon dem Herbste seiner Jahre“ hat der Betrauerte endlich daran gedacht, sein häusliches Glück zu begründen, da wird es ihm durch ein ausdrückliches Verbot von oben her verwehrt, dem erwählten Mädchen die Hand zu reichen; er erliegt dem Gram, die Braut verzweifelt an seinem Grabe. Die „Elegie“ ist nichts weiter als ein Trauer- und Gedächtniß-Carmen. Der Verstorbene wird nach dem Herkommen redend eingeführt, und der Dichter apostrophirt den „Tyrannen“:

O Fürst, du kannst die Menschen zwingen,
Für dich allein ihr Leben zuzubringen,
Das wird man deinem Stolz verzeihn;
Doch willst du ihre Seelen binden,
Durch dich zu denken, zu empfinden,
Das muß zu Gott um Rache schrein.

Die epigrammatischen Kleinigkeiten, die Behrisch angefügt hat, geben sich zumeist in den Ueberschriften schon als ausländische Waare. Ein Stück, „Das Schreien“ (das auch im Leipziger Liederbuch steht) will nach dem Italienischen sein, drei haben die Ueberschrift „Madrigal“, das eine mit dem Zusatz „aus dem Französischen“, das andere „aus dem Französischen des Herrn v. Voltaire“.

Auch in die allergröbste Lügen
Mischt oft ein Schein von Wahrheit sich.
Ich war im Traum zum Königsrang gestiegen,
Und liebte dich,


  1. Von den sechs Kleinigkeiten sind zwei bekannt: „Das Schreien“ (Jüngst ging ich meinem Mädchen nach) und „Annette an ihren Geliebten“ (Ich sah, wie Doris bei Damöten stand) 4, 154, 181 der Weimarer Ausgabe. An Zachariä 2, 149. An den Schlaf 4, 153. Ich unterlasse hier eine Vergleichung der verschiedenen Texte, die manches Werthvolle ergibt, und behalte sie mit für eine andere Stelle vor.
Empfohlene Zitierweise:
Bernhard Ludwig Suphan: Das Buch Annette, Deutsche Rundschau Berlin: Paetel, 1985, Seite 143. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Suphan_Das_Buch_Annette_005.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)