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Das Buch Annette.
Unbekannte Jugendgedichte Goethe’s[1].


Von
Bernhard Suphan.
[Nachdruck untersagt.]
I.

In dem Nachlasse des Fräuleins von Göchhausen, der bekannten Hofdame der Herzogin Anna Amalia, der 1894 durch Stiftung ins Goethe- und Schillerarchiv gelangte, befindet sich ein Büchelchen in einem feinen Franzbande; das Titelblatt zeigt, in Fractur geschrieben den Namen ANNETTE, darunter in zierlicher Vignettenzeichnung ein Bildchen: Leier mit Lorbeerzweig, angelehnt an einen Quartband, dem ein aufgerolltes Pergament als Unterlage dient. Am Fuße der Seite die Worte: Leipzig 1767.

Dem Fräulein von Göchhausen verdanken wir den „Ur-Faust“. Nun sollen wir aus ihrer Verlassenschaft auch noch ein Stück Ur-Goethe, ich will lieber sagen: Jüngster Goethe, erhalten. Denn das ist ja unzweifelhaft unser Büchlein, das den Namen jenes Mädchens trägt, dem Goethe, der Leipziger Student, mit leidenschaftlicher Neigung zugethan war: Anna Katharina Schönkopf. Annette ou ma Muse ce que sont des synonymes, heißt es in einem Briefe Goethe’s an seine Schwester, August 1767, und so nennen sie auch die anakreontischen Verse, die als Widmung unserem Büchlein vorangestellt sind.


An Annetten.

Es nannten ihre Bücher
Die Alten sonst nach Göttern,
Nach Musen und nach Freunden,
Doch keiner nach der Liebsten;
Warum sollt’ ich, Annette,
Die Du mir Gottheit, Muse,
Und Freund mit bist, und Alles,
Dies Buch nicht auch nach Deinem
Geliebten Namen nennen?


  1. Bericht, der Goethe-Gesellschaft in ihrer zehnten Generalversammlung, Weimar den 8. Juni, erstattet.
Empfohlene Zitierweise:
Bernhard Ludwig Suphan: Das Buch Annette. Deutsche Rundschau, 1895, Berlin: Paetel, 1985, Seite 139. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Suphan_Das_Buch_Annette_001.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)