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wären“, und sodann nach weiteren Ausführungen: „Übrigens mochte es freilich ziemlich gleichgültig sein, in welchem rechtlichen Verhältnisse eigentlich jede Provinz zum deutschen oder ostfränkischen Reiche stehe, da ja das Factische der Abhängigkeit von demselben entschieden genug war und das römische Reich auf dem deutschen haftete, mithin die römische Kaiserwürde, der alle christliche Völker und Fürsten unterthan sein sollten, rechtlich leicht alles zu einem Ganzen verband, sofern nur der Kaiser im eigentlichen Deutschland stark genug war, um mit Hülfe desselben die Nebenländer in Abhängigkeit zu erhalten“.

Die angeführten Stellen zeigen, daß Eichhorn einmal die Begründung des heiligen römischen Reichs deutscher Nation auf die Erwerbung der römischen Kaiserkrone durch Otto I. zurückführt, ferner aber auch, daß er in der wieder aufgegriffenen Bezeichnung den Ausdruck der Tatsache erblickt, daß das damals gegründete Reich auf der deutschen Nation im wesentlichen beruhte und von ihren Kaisern beherrscht wurde.

Eine ganz andere Bedeutung aber legt Johann Friedrich Böhmer dem Titel bei, wenn er in seiner 1834 erschienenen Schrift über das Zollwesen sagt: „Diejenigen Nationen (die Ostfranken, Bayern, Schwaben und Sachsen), die sich zum heiligen römischen Reich deutscher Nation vereinigten, welches durch ein Jahrtausend bis vor 28 Jahren noch bestanden …“[1] Böhmer sah mit seinen Zeitgenossen in der Absonderung der Hauptmasse des deutschen Gebietes vom übrigen Frankenreich durch den Vertrag von Verdun im Jahr 843 die Begründung des selbständigen deutschen Reiches. Für diese Anschauung fehlt es auch keineswegs an guten Gründen, und wenn Böhmer dieses Reich als ein Reich deutscher Nation bezeichnet, so nimmt er damit nur einen Ausdruck vorweg, der erst etwa 600 Jahre später für das deutsche Reichsgebiet aufkommt, verwendet ihn jedoch anders als Eichhorn ganz richtig in seinem ursprünglichen Sinne. Weshalb er aber bereits auf das Reich Ludwigs des Deutschen die Bezeichnung „römisch“ überträgt, ist nicht ersichtlich. Vielleicht geschah es auf eine unmittelbar oder mittelbar von Böhmer

ausgehende Anregung, daß der Rat von Frankfurt um das

  1. Angeführt bei Janssen, J. Fr. Böhmers Leben und Anschauungen, Freiburg 1869, S. 292, 100 aus Böhmers Schrift über das Zollwesen, 1834.
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Karl Zeumer: Heiliges römisches Reich deutscher Nation. Eine Studie über den Reichstitel. Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger, 1910, Seite 37. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Studie_%C3%BCber_den_Reichstitel_37.png&oldid=- (Version vom 6.3.2019)