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So finden wir in dem fürstlichen und kurfürstlichen Entwurf[1] zur Kammergerichtsordnung von 1495 die Bestimmung, daß die Beisitzer „aus deutscher Nation“ zu wählen seien. In dem Gesetze selbst tritt diese Bestimmung in der Fassung auf, die Beisitzer seien zu „kiesen aus dem Reich teutscher Nation“. Es ist klar, daß hier Reich teutscher Nation und teutsche Nation als völlig gleichwertige Ausdrücke verwendet werden, so daß Reich teutscher Nation nichts anderes bedeuten kann, als den deutschen Teil des Reiches. Ebenso ergibt sich aus Kapitel 33 der Wahlkapitulation, dessen Text bereits oben[2] angeführt wurde, daß „das Reich deutscher Nation“, in welches der König sich hinauszuverfügen verspricht, und „das heilige römische Reich deutscher Nation“, in dem er seine Residenz zu halten sich verpflichtet, nichts anderes bedeutet als die deutsche Nation, d. h. Deutschland. Im Abschied des Speyerer Reichstages von 1570 wird im § 4[3] gesagt „wie es im Heil. Reich Teutscher Nation von Alters eine löbliche Gestalt Teutscher Freyheit“. Die deutsche Freiheit konnte natürlich nur in Deutschland herrschen, woraus sich deutlich ergibt, welche Bedeutung auch hier unser Zusatz allein haben kann. In der Vorrede zur Peinlichen Halsgerichtsordnung von 1532[4] heißt es: „Wie im Römischen Reich teutscher Nation altem gebrauch und herkommen nach die meynsten peinlichen gericht mit personen, die unsere Keyserliche recht nit gelert, erfarn oder übung haben, besetzt werden …“; eine Behauptung, die nur dann richtig ist, wenn hier „Römisches Reich teutscher Nation“ für „Deutschland“ steht. Daß dies wirklich gemeint ist, wird deutlich, wenn man eine bald darauf folgende Stelle zur Vergleichung heranzieht. Diese lautet: „… das nach gelegenheyt teutscher land … die peinlichen gericht an manchen orten mit rechtverstendigen … personen nit besetzt werden mögen“. Die Stelle entspricht genau dem Entwurf von 1529, nur daß dort statt „teutsche land“ das gleichwertige „teutsche Nation“ steht.

Unverkennbar tritt die Bedeutung auch hervor in dem

Augsburger Abschied von 1555[5], der in seinem § 136 in Anknüpfung

  1. Beide im Geh. Staatsarchiv zu Berlin Rep. 18 Nr. 20 A.
  2. S. 19.
  3. N. S. III, S. 287.
  4. Hrsg. von Kohler und Scheel 1900, S. 4 und 5.
  5. Quellensammlung Nr. 165 S. 306.
Empfohlene Zitierweise:
Karl Zeumer: Heiliges römisches Reich deutscher Nation. Eine Studie über den Reichstitel. Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger, 1910, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Studie_%C3%BCber_den_Reichstitel_27.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)