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Brauch, dem Titel des Reichs in der einen oder anderen Form, die Worte „deutscher Nation“ hinzuzufügen, wurde seit dem Beginn der Regierung Karls V. fast zur Regel und blieb es bis zur Mitte des Jahrhunderts. Dann aber wird er bald seltner und verschwindet schon gegen das Ende des Jahrhunderts fast ganz aus den amtlichen Schriftstücken des Reichs. Sehen wir von den Wahlkapitulationen ab, so begegnen wir seitdem dem Zusatz „deutscher Nation“ nur noch ganz vereinzelt.[1]

Nun erhebt sich die Frage nach der ursprünglichen Bedeutung der Formel. Soll durch den Zusatz „deutscher Nation“ die Herrschaft der deutschen Nation oder ihrer Beherrscher über das römische Reich angedeutet werden? Das ist völlig ausgeschlossen. Schon der Umstand, daß die Bezeichnung „Reich deutscher Nation“ die ältere „Reich und deutsche Nation“ ersetzt und gleichbedeutend mit ihr gebraucht wird, macht es in hohem Grade wahrscheinlich, daß hier wie dort nur der deutsche Teil des Reiches besonders hervorgehoben werden soll. Das „römische Reich deutscher Nation“ ist das römische Reich, soweit und insofern es deutscher Nation, d. h. deutscher Nationalität ist. Die Bezeichnung enthält eine territoriale Einschränkung des Romanum imperium auf dessen damals fast noch allein in Betracht kommenden, stets schon weitaus wesentlichsten Bestandteil, auf Deutschland. Das stellen eine Anzahl von Beispielen ganz außer Zweifel.

    von 1521, § 1, das. S. 224 (Quellensamml. Nr. 156, S. 260); Ordnung des Reichszolls von 1523, das. S. 623 ff.; diese Beispiele lassen sich aus den Reichstagsakten und Reichsabschieden leicht vermehren.

  1. Reichsabschied von Regensburg von 1594, § 9: „Bei dieser Rett- und Erhaltung der Christenheit und des Reichs Teutscher Nation“, N. S. III, S. 421; Deputationsabschied von Speyer 1600, § 3: „in das Reich Teutscher Nation“, N. S. III, S. 173; Reichsabschied von Regensburg 1603, § 7: „Vatterland Teutscher Nation“, das. S. 503; ebenso Kaiserliches Patent von 1664, N. S. IV, S. 15; Instruktion für die Kriegsratsdirektoren vom Juli 1664, N. S. IV, S. 20; und schließlich Schreiben des Corpus Evangelicorum an König Friedrich von Schweden und andere Fürsten vom 26. Mai 1736, wo das Westfälische Friedensinstrument als „Grundgesetz des heiligen römischen Reichs teutscher Nation“ bezeichnet wird; so bei Schauroth, Sammlung aller Conclusorum Corporis Evangelicorum 1751/52, III, S. 387. In der lateinischen Fassung an Georg II. von England steht nur sacri Romani imperii; ebenda S. 385.
Empfohlene Zitierweise:
Karl Zeumer: Heiliges römisches Reich deutscher Nation. Eine Studie über den Reichstitel. Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger, 1910, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Studie_%C3%BCber_den_Reichstitel_26.png&oldid=- (Version vom 26.5.2019)