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Reinhold Steig: Über Grimms „Deutsche Sagen“. In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen

die Sagen übernahmen. In wechselweiser Unterstützung führten die Freunde ihre Arbeiten durch. Es ist immer noch ein Wunsch von mir, den Grimmschen Anteil an dem Wunderhorn aufzuweisen.

Unter möglichster Einschränkung dessen, was sich auf Volkslied und Märchen bezieht, soll nun von der vorbereitenden Arbeit für die „Deutschen Sagen“ die Rede sein. Das früheste öffentliche Eintreten für Sagen finden wir in Arnims „Berlin, im Januar 1805“ geschriebenen programmatischen Aufsatze „von Volksliedern“, den Reichardt, an welchen er gerichtet war, zum Teil in seiner Musikalischen Zeitschrift veröffentlichte, und den Arnim dann mit einer Nachschrift „Heidelberg im Juli 1805“ dem ersten Bande des Wunderhorns zum literarischen Abschlusse mitgab. Darin heißt es (S. 462): „Dem, der viel und innig das Volk berührt, ihm ist die Weisheit in der Bewährung von Jahrhunderten ein offnes Buch in die Hand gegeben, daß er es allen verkünde. Lieder, Sagen, Sprüche, Geschichten und Prophezeiungen, Melodieen“ – und abermals (S. 463): „wir suchen alle etwas Höheres … den Glauben und das Wissen des Volkes … Lieder, Sagen, Kunden, Sprüche, Geschichten, Prophezeiungen und Melodieen“. Gerühmt darin (S. 441) werden Otmars Volkssagen (Bremen 1800) als eine Sammlung aus einem kleinen Flecken von Deutschland, die bis auf einzelne Zusätze und Wortüberfluß als Muster ähnlicher aufgestellt werden könne: „Es ist wie eine neue Welt schöner Erfindung, aber von den meisten vergessen, weil es weder Veilchensyrup noch Teufelskost, sondern weil es uns führt zu den Veilchen, auch wohl in die Behausung des Teufels.“ Ein Urteil, das in gleicher Art später bei den Brüdern Grimm wiederkehrt und bei ihrer Ausnutzung der Otmarschen Sammlung in die Tat umgesetzt wurde.

Die beiden Herausgeber des Wunderhorns suchten nun rasch hintereinander, jeder für sich, die gewiß oft im Gespräch erörterte Sammelarbeit weiterer Kreise wachzurufen und für ihre Zwecke nutzbar zu machen. In einer „Aufforderung“ von Arnim, die am 17. Dezember 1805 im Gothaischen Reichsanzeiger erschien, wurden, außer Volksliedern, auf die es für die Fortführung des Wunderhorns ankomme, auch „alte mündlich überlieferte Sagen und Märchen“ ins Auge gefaßt, um recht viele Fäden dem großen Gewebe wieder anzuknüpfen, worin unsere Geschichte sich darstelle. Brentano verfaßte in Heidelberg einen eigenen Zirkularbrief, den er im Juni 1806 versandte, und wenn er darin zunächst auch nur, mit guter Beschränkung auf das Nächstliegende, die Sammlung und Rettung der seiner Meinung nach am meisten gefährdeten Volkslieder[WS 1] einschärfte, so bewies doch die gerade damals (vom 1. Juli 1806 ab) mit Brentanos

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Volksliedeer
Empfohlene Zitierweise:
Reinhold Steig: Über Grimms „Deutsche Sagen“. In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen. Georg Westermann, Braunschweig und Berlin 1916, Seite 49. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Steig_Ueber_Grimms_Deutsche_Sagen.djvu/3&oldid=- (Version vom 29.6.2019)