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– Schert Euch fort! rief der Holländer erbittert. Ich werde Euch bezahlen. Mieris, Ihr malt mir noch ein Bild . . .

– Aber welches? Was verlangt Ihr, edler Herr? fragte Franz gerührt.

– Malt uns Beide und dies Euer Atelier mit Allem, was darin ist, und selbst mit diesem Bilde auf der Staffelei. Ich gebe Euch vergängliches Metall, werde aber in Eurem Gemälde einen Schatz erhalten, den man so lange bewundern wird, als der Name Franz Mieris in der Kunstwelt nicht vergessen ist. Und das wird nimmer geschehen!

Sechs Wochen darauf war das vorliegende ausgezeichnete Bild des Malers und Cornelius’ van der Werff vollendet.




Die Nähterin.
Von Netscher.

Kaspar Netscher, einer der ausgezeichnetsten Maler des 17. Jahrhunderts, 1639 zu Heidelberg geboren und 1684 im Haag gestorben, gehört, da er in Holland unter Terbourg und Dow seine Ausbildung vollendete, der niederländischen Schule an. Er lieferte Gesellschafts- und kleinere historische Stücke und sehr viele Portraits. Netschers Gemälde stehen den Arbeiten Terbourgs, was die Zeichnung betrifft, wenigstens gleich. Hinsichtlich der Ausführung aber übertreffen sie dieselben. Seine täuschende Nachahmung der Stoffe, des Atlasses, des Sammets ist einzig, der Faltenwurf seiner Gewandung ebenso naturgetreu als gefällig. Seine anmuthigen Figuren, sein verschmolzenes, kräftiges Colorit, wenn auch eben nicht seine meist einfache Erfindung, trägt das Gepräge der Vollendung. Er benutzte gewöhnlich edlere Situationen und Scenen, als viele der damaligen niederländischen Maler zu seinen Darstellungen.

Netscher hatte, obwohl er ein bedeutendes Vermögen hinterließ, in seiner Jugend mit bitterer Armuth zu kämpfen. Sein Vater, ein Bildhauer, starb früh und der Knabe ward von einem Arzte in Arnheim, Tullekens, an Kindesstatt angenommen, welcher ihn zum Chirurg machen wollte. Seine Neigung aber zur Malerei drang durch und er ward bei einem Glasmaler in die Lehre gegeben, dem de Koster, ein Vogel- und Stillleben-Maler, als Meister des Jünglings folgte. Dann begab er sich nach dem Haag.

In seinem deutschen Gemüthe ungeachtet der Meisterstücke der dortigen Maler immer noch ein Höheres, als die Richtung der niederländischen Malerschulen ahnend und empfindend, beschloß Netscher, sich nach Italien zu begeben, um sich die idealere, das Innere des Menschen darstellende, Kunst vertraut zu machen.

Obgleich sehr arm, trat er, ungeachtet seine Freunde versuchten, ihm sein Vorhaben auszureden, etwa fünfundzwanzig Jahre alt, voll großer Hoffnungen und mit Begeisterung seine Reise an. Sie nahm jedoch ein sehr kurzes und eigenthümliches Ende, und zwar ein solches, welches geeignet war, bei den kalten, besonnenen Holländern ein Lächeln zu erregen. Netscher kam nur bis Bordeaux und kehrte hier glücklich um. Als er wieder im Haag erschien, gab Gerard Dow gutmüthig

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/90&oldid=- (Version vom 1.8.2018)