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ein jüngerer, glücklicherer Gefährte, brüllend vor Angst, in Todessätzen hinter ihm fort das Weite sucht. Dieser springende Hirsch ist der wahre Schmuck des Gemäldes; ebenso ist die einsame Waldlandschaft mit offenem Hintergrunde, wo man den Jäger zu Pferd heraneilen sieht, mit ungemeiner Wahrheit gemalt, und zeigt den zum Gemüth sprechenden Character der meisten von Ruthart’s besten Stücken.




Joseph und Jacob.
Von Ferdinand Bol.

In mehren seiner biblischen Geschichten ist Bol auf sehr sinnige Weise in das Wesen des Orients jener Zeit eingedrungen, die als nebelgraue Ferne hinter uns liegt. Einen seiner einfachen Stoffe bildet die rührende Erzählung im ersten Buch Moses, wie Joseph seinen Vater Isaak, dessen Zeit der Wallfahrt auf Erden schon hundert und dreißig Jahr gedauert, dem Pharao von Aegyptenland vorstellt, und wie der Erzvater den mächtigen König segnet. Bol hat es verstanden, mit wärmster Wahrheit das Sanftrührende der Situation in vollem Maß hervorzuheben, ohne doch der Einfachheit derselben zu nahe zu treten. Der ausdruckvollste, edelste Kopf ist jedenfalls derjenige des Königs, wogegen Joseph, der Nächste nach ihm im ganzen Reiche, in seinen geistvollen Zügen nicht wenig von der Schlauheit zeigt, wodurch er die Aegypter bewog, dem Pharao ihren Grund und Boden, ihre ganze Habe und sich selbst dazu als Eigenthum zu verkaufen, damit dieselben leben bleiben und nicht Hungers sterben möchten. Das Costüm ist wohl gewählt, wenn auch nicht breit behandelt; das Colorit aber von großer Sauberkeit und Lebenswärme.




Die Söhne Rubens’.
Von P. P. Rubens.

Dies herrliche, unwiderstehlich anziehende Portraitstück von Rubens führt uns auf anmuthige Weise der Person dieses Wunders von genialer Universalität näher, als viele seiner andern Gemälde, wo wir nur seine riesenhafte Phantasie, seine begeisterte Darstellung und die hehre Dramatik der erfaßten Momente staunend bewundern. Es würden bändereiche Schriften erfordert werden, um genau die Thätigkeit und die Bedeutung dieses Künstlers und Staatsmanns zu berichten, oder nur die besten der zwölfhundert Gemälde zu besprechen, welche meist alle sein eigenes Werk sind.

In diesem Bilde giebt uns der fürstliche Meister einen Blick auf seine Umgebung und wir empfinden es, daß es die liebende Hand des Vaters war, die mit hinreißender Meisterschaft die Gestalten seiner Söhne verewigte. Schwerlich wurden je ein König, oder eine stralende Fürstin, welche ungeheure Summen, Diamanten und Ehrenbezeugungen dem Maler für ihr Bildniß zum Danke darbrachten, besser gemalt, als diese Brüder, die Kinder der schönen Gattin des Meisters, Helena Forman, deren üppiger Schönheit wir auf so manchen Stücken von Rubens begegnen.

Die klare Lieblichkeit, das kluge Auge und die graziöse Ritterlichkeit des ältern Knaben,

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 791. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/808&oldid=- (Version vom 1.8.2018)