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eine solche Zeichnung richtig zu vollenden. Dann sagte der Statthalter kurz gute Nacht, ohne nur noch ein Wort über etwaige Bestrafung oder dergleichen zu verlieren.

Rubens blieb, von den Vorfällen dieser Nacht ganz betäubt, zurück. Er sah den Officier nicht wieder, die Geliebte eben so wenig, und konnte sich längere Zeit von dem Andenken an diese Begebenheit nicht losmachen. Moritz war auf den Kriegsschauplatz geeilt, und sein erster Schlag, den er führte, war die Eroberung der Festung Grove. Wenige Tage später empfing Rubens durch einen unbekannten Boten hundert Goldgulden und ein sehr tröstliches Schreiben von Marien, die jedoch durchaus nichts erwähnte, wo und in welchen Verhältnissen sie sich befinde.

Bald sollte sich das Dunkel lüften. Der Statthalter kam abermals nach Antwerpen. Vor seiner Wohnung stand er eines Nachmittags, eben im Begriff, sein Pferd zu besteigen. Er war in einer bequemen Bürgertracht, nur führte er einen Degen. Augenscheinlich wollte er einen Spazierritt machen. Zufällig kam Rubens die Straße daher, sah den Prinzen, erkannte den damaligen Commandeur der Wache und blieb sprachlos vor Ueberraschung stehen. Aber auch der Prinz erkannte den Maler. Er winkte ihn zu sich.

– Ich habe mit Dir zu reden, mein Sohn, sagte er mit Hoheit. Ich besitze jedoch keine Zeit für Dich, als eben diese, während welcher ich ausreite. Charles, sagte er zu dem Reitknechte, gieb Dein Pferd; Du kannst zu Hause bleiben. Setze Dich auf, Rubens – so heißt Du doch?

Der Maler gehorchte. Bald waren die Reiter im Freien. Der Prinz hielt erst nach langer Zeit am Rande eines Wäldchens sein Roß an. Der Ritt war so rasch gewesen, daß Keiner ein Wort gesprochen hatte. Jetzt sagte Oranien:

– Mein Freund! es ist Dir gewiß angenehm, daß Du erfährst: Marie ist in dem Hause des ehrwürdigen Senators Beurhelm im Haag und von der Dame des Hauses als Kind angenommen. Sie ist frei und zufrieden. Du aber wirst Dich nicht mehr um sie bekümmern; Ursache: das Niederland braucht solche Maler, wie Du einer werden wirst, um auch im Reiche der Kunst sich selbständig und glänzend zu erheben. Du hast mir einen Dienst geleistet; die Festung Grove verdanke ich Dir und Deiner Zeichnung zunächst, obgleich die letztere nicht so fehlerlos war, wie Du rühmtest. Du wirst es daher billig finden, daß ich Dich dem Meister Otto von Veen übergebe und ein aufmerksames Auge auf Dich richte.

Rubens wagte kaum seinen Dank auszusprechen, und als er einigermaßen mit seiner Rede im Flusse war, da schnitt ihm der Prinz dieselbe durch ein lautes: Hallo! Hallo! ab. Aus dem Walde heraus stürzte ein Rudel von Schwarzwild, Keiler und Bachen, mit aufgesträubten Borsten, glühenden Augen Und schäumenden Rachen, von einer prächtigen Meute wüthend verfolgt. Eine Anzahl von mit Fangeisen bewaffneter Treiber drang schreiend aus dem Walde und suchte einem ungeheuren Keiler beizukommen, welcher mit den schaumbedeckten Hauern einen Hund nach dem andern niederlegte.

Moritz war ein eben so leidenschaftlicher Jäger als Kriegsmann. Während der Maler mit dem Auge seiner Kunst dies herrliche, bewegte Bild sammt der im Vordergrunde malerischwilden, in der Perspektive unvergleichlich klaren, Waldlandschaft betrachtete, setzte der Prinz sein Pferd in Galopp und griff nach dem Degen, um den vordersten Keiler zu stellen.

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 576. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/593&oldid=- (Version vom 1.8.2018)