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Zusammenhang der Begebenheiten. Moritz ging zu Fuß neben den beiden Gefangenen, welche sich gegenseitig zu trösten und Muth einzusprechen suchten. Er entließ seine Leute bis auf die ersten beiden Reiter, welche ebenfalls absteigen und zu Fuß gehen mußten. Der Prinz fragte nach den genaueren Umständen der von den Lalaing’s gegen dies Mädchen verübten Tyrannei.

– Und Ihr wollt frei sein?

– Ja, so gern ich lebe! flüsterte Maria.

– Wollt Ihr nach dem Haag? Ihr seid da sicher . . .

Das Mädchen willigte ein, da sie, wenn sie frei war, Hoffnung hatte, den Maler wieder zu sehen. Auf dieses Wort hielt der Prinz an und sandte den einen Mann fort. Nach etwa zehn Minuten kam eine gut bespannte Kutsche im Galopp durch die Straßen gefahren und hielt vor der Gruppe der Wartenden still.

– Nehmt Abschied! sagte Oranien und öffnete den Schlag. Aber rasch, sonst stehe ich für nichts.

Maria gehorchte weinend; der Maler und der Statthalter hoben sie in die Kutsche, ungeachtet ihres Sträubens. Maria wollte durchaus nicht ohne den Geliebten abreisen. Moritz flüsterte ihr einige Worte in’s Ohr; das Mädchen schrie laut auf vor Ueberraschung – der Wagen aber rollte fort.

– Wollt Ihr mir sagen, was dies bedeutet? fragte Rubens, welcher glauben mochte, er träume.

– Erinnert Euch, daß ich zu fragen habe! Laßt uns erst sehen, ob Ihr vielleicht nicht eben so die Unwahrheit in Bezug auf Euch gesagt habt, wie der Graf Lalaing wegen des Lichtes log. Wo wohnt Ihr?

Rubens führte ihn nach seinem nahen Quartier.

– Hier! sagte er.

– Nur aufgemacht, damit wir sicher sind.

Der Krämer unten mußte öffnen und hinauf ging’s auf das Zimmer des Malers. Die Soldaten blieben draußen.

– Also das sind Eure Malereien? sagte Moritz, als auf seinen Befehl Licht angesteckt war. Er sah die fertigen Gemälde und eine Masse von Zeichnungen, welche umherlag, aufmerksam durch, war aber augenscheinlich von der Kunst des Gefangenen nicht sonderlich erbaut. Er machte einen lebhaften Ausruf, als ihm Planzeichnungen in die Hände fielen. Mit blitzenden Augen durchflog er sie und urtheilte, daß diese militärischen Sachen bei weitem das Beste von den vorhandenen Arbeiten wären. Eines dieser Blätter zeigte er dem Maler von weitem und sagte sehr kalt geworden:

– Wollt Ihr mir diesen Plan vielleicht verkaufen?

– Was für einer ist’s? sagte Rubens. Die Festung Grove? Ich schenke ihn Euch mit tausend Dank für den kühnen Dienst, den Ihr Marien erwieset . . .

Von jetzt an war Moritz nicht mehr zu sprechen. Er zog noch einige Mal sehr eilig den Plan hervor, erkundigte sich, wer ihn aufgenommen habe, und examinirte den jungen Mann, als er gehört, dieser habe ihn selbst an Ort und Stelle gemacht, ob er auch die Kenntnisse besitze,

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 571. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/588&oldid=- (Version vom 1.8.2018)