Seite:Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie.pdf/587

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

– Sehr gut! Und liebt Ihr die Dame wie früher? Thut mir die Gefälligkeit und antwortet mir ehrlich.

– Nein, Mynheer! Ich liebe sie, aber nicht sie mehr, sondern die Kunst ist mein Höchstes, der Inbegriff aller meiner Empfindungen und Gedanken geworden. Dennoch möchte ich Alles daran setzen, um die Gräfin Maria vor einem Schicksale zu bewahren, das mit ihrem Wesen im directestem Widerspruche steht und sie fernerhin bis zum Tode zu dem elenden Geschöpfe machen wird, als welches sie zwei Jahre nicht gelebt, nein, blos existirt hat.

Moritz wandte sich um.

– Jacob, bewache Du diesen Mann! sagte er in seinem Befehlshabertone. Ihr da öffnet die Hausthür, da die Leute drinnen nicht neugierig genug sind, um aus eigenem Antriebe mit uns Bekanntschaft zu machen.

Einige Streitaxthiebe krachten; da ward die Thür von einer Anzahl von Dienern, die augenscheinlich in nicht geringer Angst geharrt hatten, ob das Erscheinen der Soldaten diesem Hause gelte, geöffnet. Moritz trat rasch ein. Der junge Graf erschien jetzt im Nachtanzuge und erkundigte sich ziemlich hohen Tones nach dem Begehr der nächtlichen Gäste.

– Wißt Ihr nicht den Befehl zum Lichtlöschen, widerspenstiges Volk, so wird er Euch verdolmetscht werden! sagte der Prinz sehr aufgebracht.

– Betragt Euch höflich, rief Lalaing, oder ich werde Euch bei dem Statthalter anklagen! Hier brennt nicht so viel Licht im Hause, außer diesem, das ich eben anzündete, um Euch zu sehen, als ein Johanniswürmchen von sich giebt.

Moritz ging die Treppen hinan zum zweiten Stock, gefolgt von einigen Soldaten.

– Hier muß es sein! sagte er und versuchte eine Thür zu öffnen.

Ein Schrei ertönte drinnen und erst nach der bestimmtesten Drohung wurden die Riegel entfernt. In dem erhellten Zimmer stand bleich, wortlos die Hände gefaltet, ein sehr zarter junger Mann in Reisekleidern. Moritz hatte sogleich begriffen; Comte de Lalaing erkannte seine Schwester jedoch erst nach dem ersten überraschten Anblicken und brach in eine Fluth von Vorwürfen der wüthendsten Art aus.

– Da der junge Herr hier dennoch mehr Licht als ein Johanniswürmchen von sich giebt, in Anwendung gebracht hat: so werde ich denselben als Gefangenen mitnehmen, damit er bestraft wird, wie es den Subordinationswidrigen gebührt.

Lalaing war in Verzweiflung.

– Es ist meine Schwester! rief er. Wagt es nicht, die Hand nach ihr auszustrecken . . .

– Ihr habt da eine merkwürdige Schwester. Wißt Ihr, daß Ihr jeden Augenblick Euch noch verdächtiger macht, als Ihr es schon seid? Dies ist ein Page, und wenn er sich auch in Eure Schwester verwandeln könnte, wie er es nicht kann, so wird er dennoch auf die Wache geführt. Marsch!

Der Graf mußte sich fügen; aber er schwor bei allen heiligen und unheiligen Dingen die furchtbarste Rache an dem Offizier zu nehmen. Er wollte mit zur Wache und ward demgemäß mitgenommen, jedoch sogleich von zwei Mann fortgeführt.

Der schöne Page gelangte mehr todt als lebend in den Hof. Hier erkannte Maria den jungen Maler . . . Sie gewann fast augenblicklich Fassung und Haltung wieder, als ahne sie einen

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 570. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/587&oldid=- (Version vom 1.8.2018)