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Der Führer wandte etwas den Kopf und sah kaltblütig in die beiden mit starren Bärten versehenen wilden Gesichter der Reiter.

– Warum meldet Ihr nicht, daß da links oben in den beiden Fenstern Licht ist, statt von meiner Helmfeder zu sprechen? sagte er mit sehr gutmüthiger Stimme, nach einem mächtigen Gebäude mit der Rechten zeigend.

– O, mein Prinz, mein Capitain, wollte ich sagen, es kommt mir, da ich einmal unterwegs bin, auf eine Strafwache gar nicht an. Versichere Euch daher ganz aufrichtig, ich schere mich den Teufel um alle Lichter in den ganzen Niederlanden, wenn Ihr beliebt, Euren Helmbusch zu schütteln.

Der Prinz Moritz murmelte etwas von Gehorsam, von Eseln und Grobianen und schwieg. Die beiden Reiter stießen sich an und nickten sich zu, als wenn sie sagen wollten: – der hat’s aber bekommen. Dann strichen sie ihre Bärte, sahen den Führer mit einem bewundernden, fast zärtlichen Blicke an und brummten für sich: Er ist doch nur einmal da . . . Er hat den Teufel im Leib, aber er ist der Vater über Alle, die da niederländische Kürasse und protestantische Tranchirmesser tragen . . .

Die Reiter hielten jetzt vor dem großen Gebäude, in dessen zweitem Stocke, dem Befehle des Statthalters entgegen, hell und freundlich Licht in die Regennacht hinausstrahlte. Sie ritten in eine Art von Hof hinein und schauten sehr finster nach den hellen Fenstern.

– Wer wohnt hier? fragte Moritz mit klingender Stimme.

– Comte de Lalaing! antwortete ein Soldat; das heißt ein Katholik und Spanier, so gut es einen geben kann.

Mit einer heftigen Bewegung stieg Moritz vom Pferde.

– Sitzt ab; klopft an die Thür, und wird sie nicht augenblicklich geöffnet: so schlagt sie mit den Streitäxten ein, und feuert Euer Faustrohr in’s Schloß ab.

Die Soldaten schienen sich zu freuen. Graf Lalaing hatte jedenfalls eine höchst unangenehme Nacht zu erwarten. In diesem Augenblicke sprang einer der Soldaten klirrend vorwärts und verfolgte einen schnell an der Hofmauer hinschlüpfenden, behenden Schatten. Der Mensch wäre entkommen, aber zwei von den übrigen Reiten verrannten ihm das Thor. Der Fremde warf seinen Mantel vom rechten Arm und zog einen schmalen Degen von anständiger Länge, um sich mit Gewalt Bahn zu machen. Der eine Soldat hielt ihm ein Pistol entgegen.

Ein zweiter aber sprang mit gezücktem Schwerte vor und fiel sofort gegen den Fremden aus, indeß er rief:

– Gleiche Waffen! Klinge gegen Klinge! Thue Deine Schuldigkeit, mein Freund, Du bist auf jeden Fall verloren. Ist mein Faustgelenk besser als das Deinige, so stoß ich Dich nieder, und fährt mir Deine verdammte spanische Klinge durch den Leib: so hängt man Dich!

Das Handgelenk des jungen und schlanken Mannes war das bessere. Sein Degen schnellte die Spitze des Schwertes des Soldaten mit solcher Kraft auf das Steinpflaster, daß die Waffe wie Glas absprang. Die ganze Scene hatte nur wenige Augenblicke gewährt. Als der Fremde sich jetzt umsah, um zu entfliehen, hatten die Soldaten einen Kreis um die Fechter geschlossen. Sie lobten die Parade des Fremden, lachten den Kameraden aus, zeigten aber dem Sieger ein halbes Dutzend entblößter Klingen und nahmen ihm den Stoßdegen ab.

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 563. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/580&oldid=- (Version vom 1.8.2018)