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pflegte, jetzt mit dem Eintritte der Dämmerung öde und leer, denn Jeder mußte sich den Kriegerhäuflein, welche die Straßen durchzogen, als in Geschäften befindlich ausweisen, außerdem aber eine ordentliche Laterne bei sich führen. Um ein Viertel nach zehn Uhr waren alle Häuser stockfinster; es war Befehl des Feldherrn, die Lichter zu löschen, und wehe den Unbesonnenen, welche etwa nicht gehorcht hätten.

An einem Abende nach elf Uhr durchzogen die Wachen in Abtheilungen von zwölf Mann hoch zu Roß, geharnischt, für den Nothfall mit Stricken versehen, um die eingefangenen widerspenstigen oder muthmaßlichen Verbrecher sofort henken zu können, die schweigenden Straßen. Der Hufschlag der Pferde erdröhnte, die Eisenrüstungen und Schwerter der Mannen klirrten und Anrufe der einander begegnenden Patrouillen und kriegerische Commando’s erschallten. Das Wetter war höchst unfreundlich. Der Sturm fegte die Straßen, und ein feiner, aber dichter Regen veranlaßte die Reiter Oraniens, den Kopf zu den Mähnen ihrer Thiere herabzuneigen und die Mäntel hoch emporzuziehen. Sie wenigstens hätten schwerlich einen Einzelnen bemerkt, wenn er ohne Laterne an den Häusern fortgeschlüpft wäre.

Der Führer einer dieser Abtheilungen jedoch bekümmerte sich um das wahrhaft niederländische Wetter nicht. Er hatte den mit einer Stahlhaube bedeckten Kopf stolz erhoben und ließ seine Augen jeden Winkel durchspähen. Unermüdlich ritt er von einer Straße in die andere, trieb sein Pferd durch enge, verdächtige Gäßchen und schien durchaus nicht geneigt, heute seine Wache vor dem zukünftigen Sonnenaufgange zu beschließen.

Die Soldaten murrten untereinander.

– Ich möchte nur wissen, was er eigentlich sucht heute Nacht. Mitternacht ist ganz gewiß schon vorüber; sagte der vorderste Reiter im Zuge zu seinem dicht neben ihm reitenden Kameraden.

– Der? antwortete dieser; nichts, verlaß Dich d’rauf. Du kannst es ihm ansehen, daß er gar nicht daran denkt, daß wir hier in diesem Seehundswetter spazieren reiten. Den Spanier hat er im Kopfe und den Parma, und da giebt’s noch viele andere Dinge, wie Festungen und so etwas, die ihm verzweifelt im Wege sind.

– Ja, ja; Maas und Over-Yssel wollen auch endlich genommen sein und Nester, wie Fort Grove sind nicht allein dem Oranien, sondern uns Allen ein Dorn im Auge.

– Siehst Du, das wollt ich Dir eigentlich sagen, fuhr der zweite Soldat fort; jetzt denkt er sich’s aus . . .

– Was denn?

– Wie er den Spanier bedienen und Niederland endlich von diesen gelben Hunden befreien will. Du wirst sehen, es dauert nicht lange mehr: so fallen wir wieder über die Katholischen her. Ich hab’s da an „seinem“ Federbusche: er schüttelt ihn immer, wenn’s bald losgehen wird. Gieb nur Acht d’rauf, hat er dies Schütteln, dann kannst Du nur Abschied von Deinen Damen nehmen, denn sicherlich ist in zwei Mal vierundzwanzig Stunden Marschbefehl da.

– Immerhin! sagte der Kamerad mit einem fürchterlichen Fluche, indeß er seinen stürzenden Gaul rauh in die Höhe riß. Besser eine Kugel, als hier zwischen diesen Spelunken sich den Hals brechen.

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 562. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/579&oldid=- (Version vom 1.8.2018)