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Zeit zu Zeit an den Steigbügeln hinabsehend, war Johann Both, ein Utrechter von Geburt, neununddreißig Jahre alt, ein Landschafter. Johann Both, mit genialer Leichtigkeit malend, der frischesten Tinten, der entzückendsten Beleuchtung mächtig, hatte seinen Gemälden neben den gefeiertsten Stücken Claude Lorrains Geltung und Bewunderung verschaffen können. Die Landschaftsmaler unter Johann Boths Freunden waren mehr als einmal bei dem Versuche verzweifelt, in ihren Bildern den warmen, gesättigten, duftigen Ton zu treffen, welcher gleich einem milden Zauber über den sich sanft abwärts neigenden Thälern und den scharfen Bergumrissen, über den reizenden lichten Waldesplätzen und den seeähnlichen, weiten Teichen lag, die Johann malte.

Der einzige Trost für seine eifersüchtigen Freunde war bei dieser überlegenen Meisterschaft des Holländers der Umstand, daß Johann eben nichts weiter mit Auszeichnung malte, als Landschaften. Sie konnten daher seiner in einer einzigen Richtung vollendeten Kunst ihre mittelmäßige Vielseitigkeit entgegenhalten, um sich neben ihm zu behaupten. Die Feinde dieses Malers behaupteten steif und fest, Both sei eigentlich gar kein Maler, geschweige denn ein Meister, und sei ja etwas Gutes an seinen Bildern, so könne es nur die Staffage sein, die Johann Both nicht gemalt habe.

Die Staffage malte nämlich in der Regel der Bruder und unzertrennliche Gefährte Johanns, Andreas, der um ein Jahr jünger als der Landschafter war. Es war eben derselbe, welcher den Mantelsack, den einzigen der Gesellschaft, auf sein Pferd geschnallt und sich zum Kellermeister während der Reise aufgeworfen hatte. Bamboccio faßte schwerlich leichter das Charakteristische alltäglicher Menschengestalten und Scenen auf, als Andreas Both; dieser jedoch malte nicht mit solcher Derbheit; es lag etwas wie Wouverman’sche Feinheit und Eleganz in Andreas Boths Compositionen, das herrlich zu den Landschaften Johanns paßte. Es war ein merkwürdiger Wechselverkehr in dem Genie der Brüder Both. Ohne Andreas’ Figuren würden Johanns Landschaften bei allen ihren Schönheiten todt, oder schärfer, matt und ausdrucklos gewesen sein; wie im Gegentheil die geistvollste Staffage des Andreas ohne Johanns Landschaft kaum mehr als den Charakter einer Studie gezeigt hätte, – eine Wahrheit, welche die von jedem Bruder allein in seinem Genre gelieferten Blätter bezeugen. Die Boths ergänzten sich so harmonisch, wie es wohl selten bei einem Künstlerpaar vorgekommen, und diese Harmonie, von zwei hochbegabten Künstlerseelen getragen, war der Art, daß selbst ein Claude Lorrain nicht diese herrliche Zusammenstimmung, diesen Einklang der Landschaft und der Staffage erreicht hat, wie ihn die Boths in Gemeinschaft hervorbrachten. Johann Both opferte die Schönheiten der Landschaft zu Gunsten einer überwiegend reizenden Staffage und Andreas modulirte seine gelungensten Erfindungen, um nicht über den Gehalt der landschaftlichen Schöpfungen seines Bruders hinauszuschreiten.

Der dritte im Bunde war Charles Du Jardin, ein Franzose. Er war die verkörperte Komik; eben so launig in seinen herrlichen Figuren als in seinem eigenen Wesen. War der meistens in Gesellschaft trinklustiger Freunde verharrende Andreas nicht aufgelegt und nicht witzig genug, um für Johann eine Landschaft zu studiren und die Staffage dazu zu erfinden: so stellte sich Charles Jardin ein, er, der ewig Nüchterne, dessen Leidenschaft sich nur auf Bonbonkauen und Maccaroniessen beschränkte. Auch er verstand den Johann so genau, daß er die köstlichste Harmonie zwischen seinen Figuren und den Landschaften des ersteren erreichte und zugleich

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 387. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/404&oldid=- (Version vom 1.8.2018)