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Sie rangirten sich um die Tische und begannen ihre Unterhaltung. Unter ihnen zeichneten sich, was die Schönheit ihrer Erscheinung, und – die Glut der Blicke betraf, die sich auf Signora Viola warfen, besonders zwei aus.

Der erste war der Edeljunker Geraart van Sluits, ein Niederländer, Lieutenant von der Marine. Der andere, Quentin de Chavigny, ein Franzose, Lieutenant von den Mousquetaires seines Königs.

Geraart van Sluits war zwei und zwanzig Jahre alt und etwa acht Jahre jünger als der Chevalier de Chavigny. Er war hoch gewachsen, hatte kaum eine schwache Schattirung auf der Oberlippe, und trug die herrlichsten hellbräunlichen Locken, die man sich einbilden kann. Sein Gesicht zeigte etwas Schwärmerisches, was den Ausdruck desselben höchst interessant machte.

Der Franzose dagegen war untersetzt, breitschultrig, schwarzbärtig, mit kurzgeschornem Haar, braunem Gesicht und mit kühnblitzenden Nachtaugen. Er war übrigens zierlich gewachsen; der beste Tänzer, aber auch einer der gewandtesten, unerschrockensten Fechter, die es geben konnte.

Jeder dieser Männer war in seiner Art vollendet. Es kam auf das Gemüth und den Geschmack des Beurtheilers an, welchen man vorziehen wollte; indeß dies aber geschah, konnte man dennoch nicht umhin, den andern ausgezeichnet zu finden.

Diese beiden Menschen waren, obgleich sie sich nie beleidigten, seit sie Viola del Monte gesehen hatten, Todfeinde. Jeder sah die Leidenschaft des Andern und es stellte sich bald als gewiß heraus, daß die Italienerin, falls ihr Herz gerührt werden könne, nur unter ihnen wählen würde. Die Waage schwankte; endlich aber neigte sie sich zu Gunsten des weichen und doch heldenmüthigen Niederländers … ihm war von der herrlichen Fremden ein Lächeln jener Art geworden, das man „Lächeln des Herzens“ nennt. Chavigny wüthete. Aber noch glaubte er nichts sicher entschieden. Alles sollte heute Abend beendigt werden. Geraart Sluits und Quintin Chavigny, beide durch denselben Wunsch beseelt, dem Gegenstande ihrer Anbetung so nahe als möglich zu sein, hatten sich an den Tisch gesetzt, welcher dem geöffneten Zimmer, wo sich die ältern Notabilitäten befanden, am nächsten war. Einige andere Herren nahmen ebenfalls Platz, legten Karten auf und das Spiel begann. Es war das alte Landsknechts-Spiel. Der Zufall wollte, daß van Sluits die Bank erhielt. Chavigny schien selbst hier seinem bittern Groll gegen seinen Nebenbuhler Luft machen zu wollen; denn er machte so große Sätze, daß sich mehre Zuschauer neugierig um den Tisch versammelten.

Aber der Chevalier war auch hier unglücklich. Geraart zog seine Goldhaufen ein, bis der Mousquetaire erklärte: er besitze hier keine baare Münze, und verlange aufs Wort zu spielen. Geraart gestand dies zu, und der Franzose verlor abermals mehre Tausende von Gülden.

Chavigny erhob sich. – In diesem Augenblicke machte man drüben im Saale mit Tanzen eine Pause; die glänzende Versammlung strömte in die Nebenzimmer, und begann nach einiger Erholung die damals so beliebten Gesellschaftsspiele, welche in immer neuem Wechsel in Paris bei Hofe erfunden wurden, und von dort aus den Weg durch die ganze Adels- und vornehme Welt Europas machten.

Hier glänzte Chavigny unbestritten als König. Er versuchte es beim „Colin Maillard

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/19&oldid=- (Version vom 1.8.2018)