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Gebäude zieren, die Thaten Davids und seine Geschichte darstellte, daß namentlich der Kampf dieses Lieblings der Künstler mit dem Coloß Goliath von Gath sehr selten in der Reihe biblischer Darstellungen fehlt?

L’Orbetto hat durch Pinsel und Farbenpracht den David nach diesem Zweikampf, einem der berühmtesten, den die Geschichte überhaupt aufweisen kann, in einer Weise uns vorgezaubert, daß man urtheilen darf: diese ganze gigantische Erzählung tritt lebend, verkörpert vor uns. Der Moment des Bildes faßt genial das Vorher und Nachher der Handlung höchst in die Augen springend zusammen. Auf dem reizenden, halb knabenhaften Antlitze Desjenigen, welcher mit nervigem Arme einen Löwen und einen Bären erschlagen konnte, malt sich die mehr geistige als körperliche Abspannung nach dem Kampfe. Er überwältigte das Ungeheuer, dessen Kopf als Trophäe in seiner Hand ruht, durch die Schleuder an seiner Hüfte; betrachten wir aber den Heldenkörper des jüdischen Kämpen: so sind wir mit einem Blicke überführt, daß David, mit nackter Brust sich dem Riesenschwerte entgegenwerfend, den Zweikampf Mann gegen Mann nicht zu scheuen gehabt hätte. Unwillkürlich vergleichen wir diesen David L’Orbetto’s mit demjenigen, welcher in unbestimmter Form in unserer Phantasie lebte. Wir finden, da die Schöpfung eines großen Talentes vor uns tritt, etwas Neues, Originales; aber nicht sobald vertiefen wir uns in den Anblick des Gemäldes, so empfinden wir auch seine Kraft: das Bild Davids steht jetzt nach des Malers Darstellung in uns fest, es ist ein Typus dieser Gestalt für uns geworden. Das Costüme, obwohl nur halb orientalisch, ist dennoch sehr glücklich gewählt; eben so charakteristisch als malerisch. Das ganze Bild des nur wenig bekannten Meisters wird stets in der Reihe der aus der Bibel entlehnten Kunstschöpfungen eine vorzügliche Stellung einnehmen.




Der Schreibmeister.
Von Gerard Dow.

Einen ungemein lieblichen, reizenden Eindruck macht es, wenn man unter den holländischen Meisterwerken der Kunst den Bildern des Gerard Dow begegnet.

Während die Bilder seiner Kunstgenossen, das niedere, nicht selten rohe Leben mit fast absichtlicher Verschmähung jeder Veredlung der Figuren darstellend, sich drängen, ist bei Dow Alles voll zartester Harmonie. Sanft und wohlthuend angesprochen, bewundern wir in seinen Gemälden einen idyllisch milden, wahrhaft poetischen Hauch.

Auch Dow band sich genau an die Wirklichkeit, genauer, als vielleicht irgend ein anderer Maler. Die geringsten Einzelnheiten sind bei ihm mit undenkbarster Sorgfalt gearbeitet; er ist derjenige Holländer, welcher drei volle Tage nöthig hatte, um einen gewöhnlichen Besenstiel darzustellen. Aber eben durch diese minutiose Sorgfalt, durch diese vollkommenste Wiedergabe der unbedeutendsten Dinge erreichte Dow die bewunderungswürdige Höhe in dem ihm eigenthümlichen Streben. Er stellt das unendliche Behagen der heimischen Existenz, den vollen Frieden, die gesättigte Ruhe der Häuslichkeit dar.

Hier am heimischen Herde gewinnt das Geringfügigste Bedeutung. Alle Geräthe und

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 161. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/178&oldid=- (Version vom 1.8.2018)