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die Embleme der Omajaden und Abassiden, der Abencerragen und der Zegris zeigten. Fast am Rande einer tiefen Schlucht waren Baracken für die Diener und für die niedere Ritterschaft, so wie für die Jäger errichtet, neben welchen die feurigen Hengste Andalusiens und die sichern Saumthiere von Aragon an eisernen Pfählen festgebunden waren. Ungeduldig und feurig, nach dem Blute der wilden Bewohner des rauhen Gebirgs dürstend, erblickte man in einiger Entfernung vom Lager den Platz, wo Hunderte von Wolfs- und Bären-Hunden grimmig sich zeigten, die kaum durch die schweren Peitschen der Jagdknechte in Ruhe gehalten werden konnten.

Das rührigste Leben herrschte in dieser extemporirten Stadt. Stattliche Herren, geschmückt wie in Aranjuez, durchschritten die Zeltgassen; Gruppen der edelsten Damen Spaniens, reich mit Peru’s Edelsteinen geschmückt, zeigten sich zwischen den wallenden Federbüschen der Caballeros; sie konnten hier scherzen, sie konnten lachen, und ein natürliches Wort sprechen, das sonst nur ihre Liebhaber in verschwiegener Nacht hörten; – denn die mörderisch-steife Etiquette des spanischen Königshofes war auf den ausdrücklichen Befehl Philipps III. diesmal im Schlosse zu Madrid und in Aranjuez zurückgeblieben.

Ueberhaupt hatte Philipp, der sonst gar nicht mehr befehlen konnte, sondern sich gehorsam unter den Willen des Grafen Lerma schmiegte, der, anstatt König zu sein, zu einer kraftlosen, bedauernswerthen Puppe herabgesunken war, seit einiger Zeit ein besonderes Leben entfaltet. Dies Leben, diese Wirksamkeit richteten sich, wie zu erwarten, jedoch durchaus nicht auf den beklagenswerthen Zustand des schon durch Philipp II. tief entwürdigten und dazu ausgesogenen Spaniens, sondern lediglich auf die Art seiner Unterhaltung. Dies war von Philipp schon sehr viel; denn bisher hatte er auch gar nichts wollen können.

Es war ein eigenthümlicher Umstand nöthig gewesen, um den Herrscher zweier Welten aus seiner unwürdigen Lethargie in etwas zu erwecken. Philipp III., wie mehre bessere Regenten Spaniens vor ihm und nach ihm, war ein besonderer Freund der Künste. Eigenthümlicherweise aber besaß dieser Monarch gegen die Schöpfungen der Spanier eine große Abneigung, obgleich damals schon, namentlich zu Sevilla unter Juan de Castillo, dem Lehrer des großen Murillos, sich ein Sprossen spanischer Kunst entfaltete, das späterhin zur schönsten Blüthe gedieh. Philipp II. war der finstere, kalt-grausame Feind seiner braven Niederländer; unter ihm fanden nur wenige Werke niederländischer Maler den Weg nach Spanien. Der dritte Philipp aber schätzte Niederland und seine Künstler um so mehr, als sich die Bande löseten, welche diese Nation an das damalige Mutterland knüpften; sie schien erst Werth für ihn zu erhalten, seit er jeden Augenblick befürchtete, sie vollends zu verlieren.

In jener Zeit eben eröffnete eine Reihe ausgezeichneter Maler die glänzendste Epoche niederländischer Kunst.

Schwach und üppig aber, wie der König von Spanien war, gingen die Schöpfungen des Rubens, der Teniers, des Kaspar de Crayer, des Peter Neefs und Jodocus Momper, ohne Eindruck zu machen, an ihm vorüber. Sein Liebling, sein erklärtes Genie im Malerfache war dagegen Franz Snyders. Die Thierstücke dieses jungen Meisters athmeten die ganze Wildheit, den ganzen entfesselten Naturalismus, dessen der König bedurfte, um sich aufzuregen. Diese blutigen, wilden Thierkämpfe Snyders, wo die Thiere, in ihrer lebendigsten Eigenthümlichkeit aufgefaßt, alle Zustände der thierischen Seele, Muth, Furcht, den bis zur Wuth gereizten Zorn,

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Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 93. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/110&oldid=- (Version vom 1.8.2018)