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Staatsvertrag von Saint-Germain-en-Laye. In: Staatsgesetzblatt für die Republik Österreich. Jahrgang 1920, S. 995–1244

für die Regelung der Arbeitsverhältnisse sich finden lassen, die alle industriellen Gemeinschaften zu befolgen sich bemühen sollten, soweit ihre besonderen Verhältnisse dies gestatten.

Unter diesen Verfahren und Grundsätzen erscheinen den Hohen vertragschließenden Teilen die folgenden von besonderer und Beschleunigung erheischender Wichtigkeit:

1. Der oben erwähnte leitende Grundsatz, daß die Arbeit nicht lediglich als Ware oder Handelsgegenstand angesehen werden darf.

2. Das Recht des Zusammenschlusses zu allen nicht dem Gesetz zuwiderlaufenden Zwecken sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber.

3. Die Bezahlung der Arbeiter mit einem Lohn, der ihnen eine nach der Auffassung ihrer Zeit und ihres Landes angemessene Lebensführung ermöglicht.

4. Annahme des Achtstundentages oder der Achtundvierzigstundenwoche als zu erstrebendes Ziel überall da, wo es noch nicht erreicht ist.

5. Die Annahme einer wöchentlichen Arbeitsruhe von mindestens 24 Stunden, die nach Möglichkeit jedesmal den Sonntag einschließen soll.

6. Die Beseitigung der Kinderarbeit und die Verpflichtung, die Arbeit Jugendlicher beiderlei Geschlechtes so einzuschränken, wie es notwendig ist, um ihnen die Fortsetzung ihrer Ausbildung zu ermöglichen und ihre körperliche Entwicklung sicherzustellen.

7. Der Grundsatz gleichen Lohnes ohne Unterschied des Geschlechtes für eine Arbeit von gleichem Werte.

8. Die in jedem Lande über die Arbeitsverhältnisse erlassenen Vorschriften haben allen im Lande sich erlaubterweise aufhaltenden Arbeitern eine gerechte wirtschaftliche Behandlung zu sichern.

9. Jeder Staat hat einen Aufsichtsdienst einzurichten, an dem auch Frauen teilnehmen, um die Durchführung der Gesetze und Vorschriften für den Arbeiterschutz sicherzustellen.

Die Hohen vertragschließenden Teile verkünden nicht die Vollständigkeit oder Endgültigkeit dieser Grundsätze und Verfahren, erachten sie jedoch für geeignet, der Politik des Völkerbundes als Richtschnur zu dienen und, im Falle ihrer Annahme durch die dem Völkerbund als Mitglieder angehörenden industriellen Gemeinschaften sowie der Sicherstellung ihrer praktischen Durchführung durch eine entsprechende Aufsichtsbehörde dauernde Wohltaten unter den Lohnarbeitern der Welt zu verbreiten.

Empfohlene Zitierweise:
: Staatsvertrag von Saint-Germain-en-Laye. In: Staatsgesetzblatt für die Republik Österreich. Jahrgang 1920, S. 995–1244. Österreichische Staatsdruckerei, Wien 1920, Seite 1233. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Staatsgesetzblatt_(Austria)_1920_1233.jpg&oldid=- (Version vom 27.2.2023)