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Staatsvertrag von Saint-Germain-en-Laye. In: Staatsgesetzblatt für die Republik Österreich. Jahrgang 1920, S. 995–1244

Artikel 65.

Die österreichische Staatsangehörigkeit wird von Rechts wegen durch die bloße Tatsache der Geburt auf österreichischem Staatsgebiete von jeder Person erworben, die nicht vermöge ihrer Geburt eine andere Staatsangehörigkeit geltend machen kann.

Artikel 66.

Alle österreichischen Staatsangehörigen ohne Unterschied der Rasse, der Sprache oder Religion sind vor dem Gesetze gleich und genießen dieselben bürgerlichen und politischen Rechte.

Unterschiede in Religion, Glauben oder Bekenntnis sollen keinem österreichischen Staatsangehörigen beim Genuß der bürgerlichen und politischen Rechte nachteilig sein, wie namentlich bei Zulassung zu öffentlichen Stellungen, Ämtern und Würden oder bei den verschiedenen Berufs- und Erwerbstätigkeiten.

Keinem österreichischen Staatsangehörigen werden im freien Gebrauch irgend einer Sprache im Privat- oder Geschäftsverkehr, in Angelegenheiten der Religion, der Presse oder irgend einer Art von Veröffentlichungen oder in öffentlichen Versammlungen, Beschränkungen auferlegt.

Unbeschadet der Einführung einer Staatssprache durch die österreichische Regierung werden nicht deutschsprechenden österreichischen Staatsangehörigen angemessene Erleichterungen beim Gebrauche ihrer Sprache vor Gericht in Wort oder Schrift geboten werden.

Artikel 67.

Österreichische Staatsangehörige, die einer Minderheit nach Rasse, Religion oder Sprache angehören, genießen dieselbe Behandlung und dieselben Garantien, rechtlich und faktisch, wie die anderen österreichischen Staatsangehörigen; insbesondere haben sie dasselbe Recht, auf ihre eigenen Kosten Wohltätigkeits-, religiöse oder soziale Einrichtungen, Schulen und andere Erziehungsanstalten zu errichten, zu verwalten und zu beaufsichtigen mit der Berechtigung, in denselben ihre eigene Sprachen nach Belieben zu gebrauchen und ihre Religion frei zu üben.

Artikel 68.

Was das öffentliche Unterrichtswesen anlangt, wird die österreichische Regierung in den Städten und Bezirken, wo eine verhältnismäßig beträchtliche Zahl anderssprachiger als deutscher österreichischer Staatsangehöriger wohnt, angemessene Erleichterungen gewähren, um sicherzustellen, daß in den Volksschulen den Kindern dieser österreichischen Staatsangehörigen der Unterricht in ihrer eigenen Sprache

Empfohlene Zitierweise:
: Staatsvertrag von Saint-Germain-en-Laye. In: Staatsgesetzblatt für die Republik Österreich. Jahrgang 1920, S. 995–1244. Österreichische Staatsdruckerei, Wien 1920, Seite 1046. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Staatsgesetzblatt_(Austria)_1920_1046.jpg&oldid=- (Version vom 24.2.2023)