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Don, Dniepr und der Dwina vorgegangen. Um 862 hatten die in der Gegend des uralten Nowgorod wohnenden Slawen und Finnen sich, von norwegischen Räubern bedrängt, Herrscher aus dem gleichfalls germanischen Volke der Ross erbeten, welche zuerst alles Land von Pskow bis an den Bjelo sero (den weissen See) unter ihre Herrschaft vereinten. Um 863 rissen sie von dem geschwächten Reiche der einst so gefürchteten Chazaren einen grossen Theil ab und eroberten Kiew, und schon 866 drangen sie bis Constantinopel vor. Ein slawischer und finnischer Stamm nach dem andern musste sich den neuen, in der dritten Generation bereits völlig einheimisch gewordenen Herren unterwerfen. Swätoslaw (945–972) drang bereits siegreich bis an den Kaukasus und das schwarze Meer und vernichtete die Macht der Chazaren völlig (sie erhielten sich nur in einem Theile des taurischen Chersones und am Westufer des nach ihnen benannten caspischen Meeres unabhängig). Die finnischen Stämme an der östlichen Küste des baltischen Meeres und ein Theil der lettischen Völker waren dem neuen Reiche ebenfalls zinsbar geworden.

Auch in den unteren Donauländern war ein neues Reich gegründet worden, das der Magyaren in Pannonien. Ihren Streifzügen, mit denen sie in der ersten Hälfte des X. Jahrhunderts das westliche Europa heimsuchten, war durch König Otto I. 955 ein Ende gesetzt. Ihr Heidenthum war noch nicht gebrochen. Zu einem einheitlichen Staate war es bei ihnen noch nicht gekommen. Siebenbürgen war noch streitig zwischen ihnen und den Patzinakiten, die sie aus Atelcusu verdrängt hatten.

Die Bulgaren an der Donau hatten auf der Hämushalbinsel ein ausgedehntes Reich gebildet.

Das oströmische Reich, über dessen damalige Eintheilung in Themen wir einen etwas confusen Bericht vom Kaiser Constantinus Porphyrogennetos (911–959) besitzen, hatte seit Karl’s des Grossen Zeit von den Slawen den Peloponnes, von den spanischen Mauren Creta, vom abbâsidischen Khalîfate Cypern gewonnen.

Was endlich den Osten betrifft, so erscheinen in den früheren Sitzen der Patzinakiten oder Petschenegen die Uzen, Ghuzz oder Cumanen. Nördlich von ihnen haben sich die Bulgaren an der Kama, seit 922 muhammedanisch, erhalten; sie waren ein bedeutendes Handelsvolk.

Die weltliche Herrschaft der abbâsidischen Khalîfen beschränkte sich auf ein unbedeutendes Gebiet um Baghdâd. Der Rest ihres grossen Reiches war an verschiedene Dynastien gefallen, von denen einige nicht einmal ihrer geistlichen Suprematie sich unterordneten.

Der omaijadischen Khalîfen ist bereits oben gedacht. Ebenso wenig wie sie erkannten die Fâtimiden, denen 909 die Aghlabiden im östlichen, 917 die Idrîsiden im westlichen Maghreb unterlegen waren (s. Karte 3), den Khalîfen zu Baghdâd als geistlichen Herrn an.

Aegypten, Syrien und Heģas standen unter der Dynastie der Ichschîdiden, wurden aber 972 von den Fâtimiden erobert.

Vielfach unter sich und mit den benachbarten Griechen in Kämpfe verwickelt, war das Geschlecht der Hamdâniden in Gezîra und Syrien mächtig geworden, um 890. Ihr Gebiet war seit der Mitte des X. Jahrhunderts in die beiden Reiche von Haleb und Mossul getheilt. Noch vor Ablauf des Jahrhunderts mussten aber die Hamdâniden den Okailiden in Mossul weichen, und 1008 wurden sie auch aus Haleb vertrieben.

In Irâk hatten die Söhne des Fischers Bûjeh, daher die Bûjiden genannt, sich unter der Oberhoheit der Khalîfen seit 933 ein grosses Reich gegründet und selbst die Würde eines Emîr al Umera (Reichsverwesers) errungen. Gegen Ende des Jahrhunderts theilte sich auch dieses Geschlecht in zwei Hauptlinien, von denen die eine, das Emîrat verwaltend, in Baghdâd und die andere, östliche, in den ersten Gebieten des Geschlechts, in Rei und Ispahan, sass.

Unabhängig von den Bûjiden war die kleine Herrschaft der Zijâdiden am Südufer des Chazaren-Meeres.

In den arabischen Provinzen am persischen Meerbusen endlich hatte die furchtbare Secte der Karmatier ein bedeutendes Reich gegründet, das, in seinen Zweigen als Ismaëliten oder Haschischim fortdauernd, erst mit dem Eindringen der Mongolen sein völliges Ende fand.


Europa Nr. 9. Europa vom westfälischen Frieden (1648) bis zur Zersplitterung der grossen spanischen Monarchie, 1700 (Zeitraum der Uebermacht Frankreichs). Mst. 1 : 15 000 000. Von K. v. Spruner; Revision von Th. Menke.

In dem angegebenen Zeitraum herrschte das Haus Habsburg in seinem älteren Zweige in der spanischen Monarchie, in seinem jüngern in Deutschland und in den nicht von den Osmanen eroberten ungarischen Gebieten.

Zu Spanien gehörten, ausser den Ländern dieser Krone auf der iberischen Halbinsel, Neapel und Sicilien, die Insel Sardinien und als Lehen des deutschen Reichs Mailand und die katholisch gebliebenen Niederlande (fast das ganze heutige Belgien), sowie die Franche comté und ihre Pertinenzstücke Charolles und Noyers.

Portugal, das seit 1580 mit der spanischen Krone vereinigt gewesen war, hatte sich 1640 von derselben unabhängig gemacht und stand unter dem Hause Braganza.

Frankreich hatte im Lyoner Frieden 1601 Bresse und Bugey und im westfälischen Frieden 1648 Metz, Toul und Verdun erworben. Im pyrenäischen Frieden 1659 kamen dazu bedeutende Landstriche von Flandern, Artois, Hennegau und Luxemburg, sowie die Grafschaft Roussillon und Cerdagne.

Mit England, das seine Macht immer glänzender entfaltete, war seit dem Tode der Elisabeth und der Thronbesteigung der Stuarts auch Schottland vereinigt. Im Jahre 1649 wurde es Republik.

Schweden war durch seine siegreichen Kriege eine Hauptmacht in Europa geworden. Es hatte 1645 Jämtland

Empfohlene Zitierweise:
Theodor Menke, Karl Spruner von Merz u. A.: Hand-Atlas für die Geschichte des Mittelalters und der neueren Zeit . Justus Perthes, Gotha 1880, Seite 25. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Spruner-Menke_Handatlas_1880_Text.pdf/37&oldid=- (Version vom 28.11.2016)