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Körper des Satans steht. Dieser, in München mit einem Bocksbein ausgestattet, ist hier von athetischem menschlichem Wuchs, seine Rechte umfaßt nicht den Schaft, sondern krampft sich krallenfingrig zusammen.

Auf der einen Seite der himmlische Kriegsmann zwar noch im Kampfe, aber in der statuarischen Ruhe der ausponderierten Haltung seines völligen Sieges über den Erzfeind sicher – bei Hans Reichle kein Streit mehr, sondern die triumphierende Gebärde des auch körperlich überlegenen Helden, der wie schwebend das Flammenschwert nicht als tötende Waffe, sondern als Symbol des Sieges fast senkrecht gen Himmel zückt. Ebenso wendet Satan mehr geblendet als zernichtet die Hand zur Abwehr gegen das Strahlenphänomen der Erscheinung, nicht gegen den materiellen Schlag oder Stoß der Waffe. Wirklicher Kampf des bei aller unirdischen Geschlechtslosigkeit doch noch männlichen Erzengels mit dem Fürsten der Hölle nur bei der Dresdner Gruppe, wo zugleich im Einknicken der linken Hüfte des Engels eine Spannung der Kurven entsteht, an der nicht nur der Satan mit den vom Sockel herabhängenden Gliedern teilnimmt, die auch in der straffen Silhouette der Flügel wie eine Zange in den Himmel greift. Der Schöpfer der Dresdner Gruppe ist weder Reichle noch Gerhard, die beide als Holzschnitzer nicht bekannt sind. Entstanden zu Anfang des 17. Jahrhunderts, ist sie dennoch eines der aufschlußreichsten Denkmäler einer Gestaltungskraft, die am Monumentalen genährt, über das Symbolhafte hinaus zu einem Realismus höherer Ordnung und damit zu einem individuellen Stil gelangt.

Der absoluten Plastik von Werken wie der Michaelsgruppe gegenüber vollzieht sich in dem Schaffen des Egerer Meisters Johann George Fischer die Geburt des Reliefs aus der farbigen Flächenkunst der Intarsia. Die Kunst, Hölzer verschiedener Maserung und Tönung in kleineren Hausmöbeln zu ornamentalen Füllungen zu verbinden, wobei auch die Öl- oder Lackfarbe die Unterschiede betont, führte diese „Kistler“ zur Pflege des Flachreliefs. Schrank- und Kabinettüren, besonders die Vorderseite von Brettspielen wurden dann mit größeren Kompositionen verziert. Das Thema dieser oft vielfigurigen Szenen lieferten Legende, Mythologie und Geschichte. Auf einem Brettspiel des Grünen Gewölbes findet sich die Schlacht bei Zama, Hannibal im Gewimmel einer Reiterschlacht, bezeichnet: Johann Georg Fischer fecit Anno 1655, auf einem im Wiener Oesterreichischen Museum die Bekehrung Sauli: auch hier das aufbäumende Roß mit Verve und sicherer perspektivischer Kenntnis entworfen.