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und die Stutzuhr (ebenda, Tafel 27) feststeht, so gehört doch seine Hauptwirksamkeit der Zeit Friedrich Augusts II., also dem beginnenden Rokoko an. Das beweisen auch die zahlreichen Montierungen, Sockel, Rahmen, sowohl für Elfenbein- wie für Perlenfigürchen, die in der Verteilung der Massen, der Verwendung asymmetrischer Zierelemente über die elegante, aber stets von dem Tektonischen geleitete Dekoration Dinglingers, der als sein Lehrer bezeichnet wird, hinausgehen. Die zahlreichen Miniaturfigürchen, die bisher unter seinem Namen gingen, sind ganz gewiß nicht von einer Hand, und ebensowenig alle von der Hand eines Meisters. Auch nicht die meistgenannten „Bettler der Gräfin Königsmarck“ (Tafel 28 f–i), die man deutlich als je ein Paar differenzieren kann. Daß der Klarinettenbläser (Tafel 30 g) ebenso wie sein sitzender Kunstgenosse (Tafel 32 h) auf einen „altdeutschen“ Stich zurückgeht, kann ihren künstlerischen Reiz nicht herabsetzen. Wer eine Figur von so sprühender Lebenskraft wie den Fischer (Tafel 30 b), von der humorigen Energie der Bewegung wie den Koch (Tafel 30 f) so bis in die fast mikroskopischen Einzelheiten auf die Beine zu stellen vermag, ohne bei allem Realismus je ins Kleinliche zu verfallen, der verdient auch als selbständiger Schöpfer den Platz in dem bescheideneren Reich der schmuckhaften Kleinkunst, den andere, in großem Format Arbeitende sich schon längst errungen haben. Ob Wilhelm Krüger aus Danzig, der seit 1711 für den Dresdner Hof arbeitete, auf diesen Platz Anspruch hat, dem wir die glänzende Reiterfigur Augusts des Starken in Gotha verdanken, ist heute kaum mehr als eine Vermutung.

Die Frage, wie die Kunst des Elfenbeinschnitzens in die Handwerksverfassung der deutschen Städte eingespannt war, ist für die Zeit der Renaissance und des beginnenden Barock nur unvollständig zu beantworten. In dem Nürnberger Handwerksbuch von 1357/58, dem ältesten bekannten, sind die Beinschnitzer den Nadelmachern zugezählt, da es sich hier hauptsächlich um die Herstellung von beinernen Nadeln handelte. Im Jahre 1602 wird dann das „paindrehen“ dem Holzdrechslerhandwerk „anhengig und incorporirt“. Da die Handwerksordnungen weiterhin die Bein- oder Elfenbeinbearbeitung nicht mehr erwähnen, so dürfte diese wohl wie die Bildschnitzerei zu den „freien Künsten“ gerechnet worden sein. Eine „freie Kunst“ war eine Hantierung, die nicht nach Gesetzen und Verordnungen geregelt war, und fast nie in ein „geschworenes Handwerk“ verwandelt werden durfte. Eine gewisse Ordnung wurde hier von „Vorgehern“ überwacht. So wurde z. B. die Gesellenzeit, früher auf vier Jahre bemessen,