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Friedrich Augusts II. (II. 439) beweist, das Pathos religiöser Ergriffenheit, wie man aus der, in Buchsbaum geschnitzten Beweinung Christi (VII. 27) und den Köpfen von Maria und Johannes (II 348 und 350) ersieht. Der große Kruzifixus (Tafel 26) zeigt den Meister auf der Höhe nicht nur seines Könnens – die ungewöhnlichen Abmessungen des Körpers, mit 0,86 m, sind zu allen Zeiten angestaunt worden – sondern auch im Vollbesitz einer Kraft seelischer Ergriffenheit, die sein Vorbild Balthasar Permoser auch als reifer Mensch kaum übertroffen hat. Das hier zum ersten Male veröffentlichte Gerippe im Sarge (Tafel 27) darf nicht nur als abschreckende Kuriosität genommen werden. Die Wiedergabe menschlischer Skelette lag, worauf schon früher hingewiesen wurde, dem religiösen Zeitbewußtsein ebenso nahe wie die des gepeinigten Menschenleibes am Marterholze. Das Dresdner Exemplar ist nicht nur das größte bisher bekannt gewordene, sondern auch in seiner Gesamtidee wie in seiner Inszenierung dasjenige, das mit fast unheimlicher Folgerichtigkeit sein Memento mori in den dekorativen Geschmack des Rokoko kleidet. Das konnte nur ein Künstler ersinnen, der seine Vorwürfe so völlig aus der Vorstellungswelt in die Wirklichkeit zu heben imstande ist wie ein Regisseur, der das geschriebene Wort auf der Bühne durch den Mund des Schauspielers mit dessen Körperlichkeit zu einer unlösbaren Einheit verschmilzt.

Es scheint, als werde es der Forschung gelingen, einem so ausgeprägten Talent wie Lücke in der Kleinplastik aus der Mitte des 18. Jahrhunderts noch mehr Boden zu gewinnen als das bisher selbst der sorgfältigen Kritik Christian Scherers möglich war. Denn er gehört zu den romantischen Figuren aus der bunten Welt der vagierenden Künstler, Erfinder und Entdecker, ohne die man sich die Höfe im Zeitalter des aufgeklärten Absolutismus nicht denken kann. Wie weit er an den besten Werken der Kabinetts- oder Kleinplastik Anteil hat, die gerade im Grünen Gewölbe unvergleichlich zahlreich und vielartig vorhanden sind (Tafeln 28–33), wird sich schwer ermitteln lassen. Vorläufig wird man kaum fehlgehen, wenn man die künstlerisch reifsten dieser Genrefiguren, vor allem aber die neu auf Tafel 30 vereinigten für einen Meister in Anspruch nimmt. Daß dieser, der Hofjuwelier Joh. Christoff Köhler gewesen ist, dessen Namen von altersher in Verbindung mit ihnen genannt wird, darf noch so lange nicht als erwiesen gelten, als die Geschichte der Dresdner Goldschmiede im 18. Jahrhundert, in die er ja auch gehört, nicht geschrieben ist. Wenn dieser auch noch für August den Starken selbst gearbeitet hat, wie nachweislich u. a. durch die Hubertusuhr (Bd. 2, Tafel 26)