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Lanzi nennen. Und zwar keineswegs als eine kongeniale: im Gegenteil ist die unerhörte Spannung der forma serpentinata, die die drei Körper verbindet und durchzuckt, so gelockert, daß ein flaues, fast kokettes, tänzerisches Sichanschmiegen an die Stelle des wilden Gewaltaktes getreten zu sein scheint. Das hohe Ansehen, das auch nach Sandrarts Kunde der tüchtige Meister bei seinen italienischen Freunden und Auftraggebern genoß, wird durch solche Leistungen kaum begründet. Man beachte daraufhin ebenso wie die Kopfhaltung der Geraubten die des kauernden Greises: auch hier weicht die erregte Schroffheit des Sichaufbäumens einer mehr objektiven Theatralik. Wo der rechte Fuß des Räubers sich in dem Original gegen einen Stein stemmt, wie es die Statik des Körpers durch den Druck der erhobenen Last ja auch bedingt, ist bei der Nachbildung, in völligem Mißverstehen des Motivs, gerade umgekehrt ein Emporschreiten dargestellt worden. Der Naturalismus des Nordländers in der Wiedergabe gewisser körperlicher Intimitäten trägt auch nicht dazu bei, die sonst allzu glatte Paraphrase als eine künstlerische Arbeit neben das Urbild zu rücken.

Damit stehen wir vor der Frage nach Barthels schöpferischem Können an sich. Sein allein völlig gesichertes Hauptwerk, das riesige Grabmal des Dogen Giovanni Pesaro in der Frarikirche zu Venedig, ist zwar in seinem Aufbau, dessen Architektur Baldassare Longhena entwarf, ein echtes Erzeugnis barocker Weitschweifigkeit und Überladenheit. Seine Figuren aber, siebzehn an der Zahl, Neger, verweste Leichname als Tafelträger, Verkörperungen von Tugenden, Drachen, Putten, sind kraft- und schwungvoll durchgebildet, und zeigen eine Meisterschaft des Handwerks, die auch im Kreise der Erben des Vittoria und Fiammingo ihren Platz behauptet. Versuche, ihm bestimmte Großplastiken in Dresden nachzuweisen, sind bisher gescheitert. Daß er in Elfenbein arbeitete, weiß auch Sandrart, der übrigens auch sein Todesjahr falsch angibt; auch in dem Katalog der Abgüsse, die der Organist der Kreuzkirche, Emanuel Benisch, dem wir die Originalmaske Augusts des Starken 1704 verdanken, herstellte und vertrieb, erscheint nur sein Name neben denen berühmterer Meister wie Michelangelo, Adrian de Vries, Bernini u. a. Selbst zugegeben, daß die Hand, die Marmor und Bronze mit ihren großen Maßstäben mühelos beherrschte, sich in den bescheidenen Dimensionen des Elfenbeins schwerer zurechtfand – der Stil der Dresdner Bildwerke, zu denen auch die vier Götter auf den verzierten Postamenten (Tafel 12) und die Gruppe der beiden Frauen (Tafel 10 a) gezählt werden muß, weist keineswegs auf ein Talent von der ursprünglichen