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der Menschen lüstern, Jäger und Jägerinnen, die Erde, die uns den Wein spendet, den Sorgenlöser, der mit Ceres Gabe die Irdischen wie die Himmlischen erfreut. Das unendliche Band des Frieses, der die äußere Rundung des gewachsenen Tierzahns umkreist, kennt kaum betonte Einschnitte. Im Ausbruch ihrer Triebe gleichsam unlösbar ineinander verflochten, drängen und treiben die Körper, wie von einer zentrifugalen Energie erfaßt, zwischen den gewölbten Bändern der silbernen Fassungen. Selten einmal, daß sich die Figuren als statuarische Vertikalen so deutlich von den weichen Wülsten der silbergetriebenen Rahmen absetzen, so abgetrennt und beziehungsarm auf der Fläche stehen wie bei dem Krug des Augsburgers Abraham Warnsperger (Tafel 16, II. 399). Im schärfsten Gegensatz hierzu läßt der Künstler des Kruges mit der Kentaurenschlacht die erhobenen Arme das wilde Über- und Durcheinander der unteren Glieder noch verstärken (Tafel 15 b). Hier wird, was ganz selten vorkommt, auf dem runden Deckel durch die galoppierende Reitergestalt des kindlichen Kurfürsten die Bewegung in eine bestimmte Linie gedrängt, statt sie durch eine stehende Figur, wie die Diana (Tafel 14 a) oder den Apoll auf dem großen Mannlich-Pokal (Tafel 14 b) im Vertikalen zu beruhigen.

Wie stark der Dresdner Melchior Barthel in den zwei knappen Jahren des Wirkens in seiner Vaterstadt an dieser Huldigung vor dem Geist der Antike beteiligt ist, wird vor allem durch die drei größeren Bildwerke beleuchtet, die seit einem Jahrhundert auf ihn zurückgeführt werden. Daß der „Raub der Sabinerin“ (Tafel 10 b) eine Nachbildung des genialen Hauptwerkes von Giovanni da Bologna ist, hat schon Landsberg in seinem ersten Katalog 1834 bemerkt. Hier auch werden die Gruppe der zwei Männer mit dem Stier (II. 47) wie das Pferd mit dem Löwen (II. 342) ganz richtig als Varianten antiker Originale bezeichnet. Wobei freilich der farnesische Stier nur ganz entfernt an der schwerfälligen Komposition des Deutschen beteiligt ist. Alle drei Gruppen stammten aus dem Brühlschen Nachlaß, und erst 1825 taucht Barthels Name in Verbindung mit ihnen auf. Bei einem fast lebenslänglichen Aufenthalt in Florenz und Venedig, wovon das ausdrucksvolle Kruzifix und der Christus an der Martersäule im Bargello zeugen, hat Barthel ja ausreichend Gelegenheit gehabt, die antiken Bildwerke zu studieren, die in den Museen und Bauten der großen Städte aufbewahrt waren. Wenn er aber bei seiner Komposition des gebändigten Stieres schon völlig frei verfuhr, so kann man auch den Sabinerinraub ernsthaft kaum mehr als eine Studie nach dem vielbewunderten Marmor der Loggia de